05.11.2016

Wer war ich? Wer bin ich?

Durch Joep habe ich mich verändert. Ich bin nicht mehr wer ich war, das ist eindeutig. Aber wer bin ich jetzt? Was hat sich verändert und wer werde ich in Zukunft sein?

Anfangs hat mir das Angst gemacht, ich werde nie wieder sein wer ich mal war. Ich war immer zufrieden mit wer ich war. Ich mag alles an meinen alten ich. Aber viel davon ist weg, zumindest im Moment nicht mehr sichtbar, ob es wieder zurück kommt wird nur die Zeit zeigen können. Es dauerte eine Zeit bis ich verstand dass Veränderung nicht automatisch bedeutet das ich mein neues ich weniger mögen werden als mein altes. Ja ich bin anders, aber auch wenn Joep noch leben würde hätte er mich verändert. Kinder verändern einen Menschen und ich arbeite daran um ein guter Mensch zu bleiben. Ich habe Joep versprochen um immer ein guter Mensch zu sein und daran werde ich mich halten.

Früher war ich lebensbejahend, ich war immer Optimist und positiv. Ich war bewusst naiv, ich wollte naiv sein und in allem und jedem immer das Beste sehen. Ich war extrovertiert, gerne unter Leuten. Menschen gaben mir Energie, ich mochte Menschen und Menschen mochten mich. Ich hatte immer eine sehr gute Menschenkenntnis wodurch ich auch bewusst naiv sein konnte, meine Intuition sagte mir wer gut für mich ist und wer nicht. Ich habe immer auf mein Bauchgefühl vertraut und das ging immer gut, ich wurde nie von Menschen enttäuscht denen ich vertraute. Ich war 100% loyal gegenüber meiner Familie und meinen Freunden. Ihr Wohl war mir immer wichtiger als mein Eigenes. Ich war hilfsbereit und hatte die meiste Zeit ein Lächeln im Gesicht. Ich war glücklich, ich fand mein Leben perfekt und ich hatte alles was ich wollte. Meine Arbeit machte mir Spass weil ich meine Kollegen sehr mochte, ich ging gerne zur Arbeit, ich hatte immer Verabredungen zur Mittagspause, ich wurde gemocht. Ich habe früher viel gelacht, aufrichtig gelacht.  Ich war immer ehrlich, sagte was ich dachte und kam für mich selbst auf wenn es nötig war. Ich war mit mir selbst im Reinen und ich mochte mich wirklich so wie ich war. Ich hatte nie große Ansprüche, eine kleine Wohnung reichte mir, ich hatte alles was ich zum Glücklichsein brauchte.

Es ist nicht so dass ich diese Eigenschaften verloren habe. Ich weiss dass sie noch da sind aber ich kann nicht mehr bewusst naiv sein. Ich weiss es jetzt einfach besser. Ich denke die größte Veränderung an mir ist das ich das Vertrauen in eine gute Welt verloren habe und dass alles was mich glücklich machte mir heute nicht mehr genug ist. Ich bin auch nicht mehr extrovertiert, Menschen können mir all meine Energie und Kraft rauben wenn sie über Dinge reden die mich in dem Moment nicht interessieren. Aber ich will dann auch nicht unhöflich sein, oft Träume ich in Gesprächen weg und höre nicht mehr zu, wenn Menschen dann nicht merken dass ich nicht zuhöre und weiter reden dann geht es mir immer schlechter. Unsensibele Menschen rauben mir so viel Energie. Ich bin noch immer sehr offen was meine Gefühle betrifft. Jeder kann und darf wissen wie es mir wirklich geht und warum ich wie reagiere, was ich von Leuten erwarte. Ich höre oft dass Menschen in meiner Umgebung sehr dankbar dafür sind, dass ich es ihnen dadurch leichter mache.

Was sich vor allem geändert hat ist dass ich keine Leidenschaft mehr habe, nichts macht mir noch richtig Freude. Sachen die mir früher viel Spass machten will ich heute nicht mehr machen, sie rauben mir zu viel Energie, ich hab zu wenig Energie. Rene und ich lachen noch jeden Tag und seitdem Joep gestorben ist gab es keinen Tag an dem wir nicht zumindest kurz gelacht haben. Aber wir lachen viel weniger und viel oberflächlicher. Wenn ich lache kann es sein dass ich in der Sekunde in der ich aufhöre zu lachen ich schon wieder nur Traurigkeit fühle und mir nicht mehr nach Lachen zumute ist, dass ich den Tränen näher bin als dem Lachen.
Ich bin noch immer ein guter Mensch, hilfsbereit. Aber ich musste mich selbst an erste Stelle stellen und das war nicht immer einfach.

Ich bin noch immer für viele Sachen sehr dankbar.  Familie, Freunde, Arbeit und alles was wir besitzen. Aber es macht mich nicht mehr so glücklich wie früher. Es ist nicht genug, Joep fehlt mir immer.  Ich werde wohl nie genug haben, immer wird mir etwas fehlen. Immer wird mir Joep fehlen.  Sie sagen die Traurigkeit wird weniger werden und ich merke es auch. Ich weine weniger, ich fühle mich nicht mehr depressiv. Der nächste Schritt ist wohl wieder mehr Glück zu fühlen und wieder lernen auf eine gute Welt zu hoffen. Was mir vor allem fehlt ist dass ich nicht mehr bewusst naiv bin. Dass ich das Vertrauen in die Welt und in das Gute verloren habe. Ich bin eher Pessimist/Realist als Optimist.  Meine rosa rote Brille wurde von meiner Nase gerissen und zertreten. Die Welt ist nicht gut und ich muss lernen daraus das Beste zu machen.

Ich habe noch immer Angst vor der Zukunft, Angst davor was uns noch erwartet, vor allem Schmerz den ich noch überleben muss. Aber ich habe keine Angst mehr vor Sachen die mir früher Angst machten. Das Schlimmste was wir je mitmachen müssen haben wir überlebt und ich mache mir keinen Kopf mehr um die Kleinigkeiten die mich früher stressen konnten. Ich finde vieles nicht mehr wichtig, bin vielleicht sogar noch entspannter als vorher was das betrifft. Wozu sollte ich mir um Alltägliches Sorgen machen wo es doch in keinem Verhältnis zu dem steht was wir schon durchgemacht haben. Es war mir immer egal was andere von mir dachten aber jetzt ist es mir noch egaler. Natürlich will ich dass man mich mag aber es stört mich nicht wenn es nicht so ist. Solange ich mich selbst mag und von mir selbst sagen kann dass ich ein guter Mensch bin ist alles in Ordnung. Ich weiss dass mich niemand verstehen kann, warum sollten mich also alle mögen wenn sie mich nicht verstehen. Wohl habe ich Angst in alltäglichen Situationen, wenn ich jemandem begegne den ich seitdem ich schwanger war nicht gesprochen habe, dann habe ich Angst vor ihrer und meiner Reaktion. Es erinnert mich so sehr an meinen Schmerz, ich weiss nicht wie ich reagieren soll, ich habe Angst. Aber wenn sie nichts sagen dann finde ich das auch schrecklich, also spreche ich es immer an wenn ich mit jemandem rede. Ich weiss dass mein Gegenüber auch Angst hat mit mir über Joep zu reden, also bin ich die Stärkere und rede über ihn. Verrückt dass ich die Starke sein muss in diesen Situationen, wo es meinem Gegenüber doch viel leichter fallen sollte als mir.

Wer ich in einem halben Jahr bin weiss ich nicht. Wer ich in 3 Jahren bin weiss ich nicht aber ich hoffe dass ich dann wieder aufrichtig glücklich sein werde, dass wir dann wieder Kinder im Haus haben die mir dabei helfen wieder glücklich zu sein und mir zeigen wie gut es ist naiv zu sein.

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