16.06.2018

Ich arbeite wieder

Es ist also soweit. Ihr habt es alle gemerkt. Es ist still hier im Blog. Anstatt jede Woche etwas von mir zu lesen kommt oft wochenlang nichts. Und so still wie es hier ist, so stressig ist das echte Leben.

Und der Grund dafür das es hier so ruhig ist ist das ich keine Zeit habe zu trauern. Trauern bedeutet für mich auch hier schreiben. Meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, vom Herz über die Finger ins Internet. Aber dazu fehlt mir die Zeit. 

Ich arbeite wieder. 4 Tage die Woche. 32 Stunden die Woche. Das ist viel, ein Tag weniger als früher aber trotzdem viel. Der Boef geht in die Kita und hat sich gut eingewöhnt. Essen will er noch immer nicht aber ich stille ihn 2 mal am Tag. 1,5-2 Stunden von meinem 8 Stunden Arbeitstags bin ich bei ihm. Auf diese Art und Weise geht es. Arbeiten. Kita. Wir sehen uns ja auch tagsüber. Aber lange geht das nicht mehr so. Wenn er isst werde ich ganze Tage ohne Unterbrechung arbeiten. Und auch das werden wir schaffen. 

Ich arbeite und versuche gleichzeitig Hausfrau, Ehefrau und Mutter zu sein. Mich um alles zu kümmern. Ein Balanceakt den ich noch lernen muss. Joeps Bruder steht dabei immer an erster Stelle. Wenn er nicht ohne mich schlafen will dann bleibe ich bei ihm im Bett bis er es okay findet das ich gehe. 

Das arbeiten selbst fällt mir leichter als gedacht. Zum Glück. Ich dachte ich würde es hassen wieder zu arbeiten aber das ist nicht so. Lieber wäre ich natürlich zuhause aber das Leben ist nunmal kein Wunschkonzert und dafür lebe ich einfach im falschen Land... Ich arbeite 4 Tage damit René auch 4 Tage arbeiten kann. Natürlich würde ich am liebsten nur 3 Tage arbeiten aber dann würde ich René einen Tag mit dem Boef nehmen und das will ich nicht. Noch geht der Boef 4 Tage in die Kita weil ich ihn ja stillen muss. Aber sobald er isst bleibt er einen Tag die Woche zuhause bei Papa. Ein richtiger Männertag. 

Es ist schon verrückt wie schnell man sich daran gewöhnt wieder zu arbeiten. Sich einfindet beim neuen Arbeitgeber. So viele neue Menschen, so viele Menschen die Fragen wieviele Kinder ich habe und mich geschockt angucken wenn ich erzähle das Joep tot ist. Aber so viele Möglichkeiten über ihn zu reden. So viele neue Menschen denen ich stolz Fotos von meinen Söhnen zeigen kann. Der grosse Boef und der kleine Joep. Beide immer als Hintergrund auf meinem Handy. Beide immer ganz nah. 

Eine Träne für Joep

Wir liegen im Bett, Samstag morgen. Der Boef schläft. Mama und Papa dösen vor sich hin. Kuscheln. Viel zu selten liegen wir so, geniessen es zu dritt zu kuscheln.

Joeps Bruder atmet tief im Schlaf. Ein Geräusch das uns so gut tut, es gibt nichts beruhigenderes als sein Kind atmen zu hören. Wie friedlich er hier in meinem Arm liegt. René scheint genau das Gleiche zu denken. Er flüstert meinen Namen, will ihn auf keinen Fall stören oder wecken. Er schläft doch so friedlich. Er flüstert: 'Imke, er ist so schön.' Ich öffne meine Augen, sehe meinen Sohn neben mir liegen und mir wird warm ums Herz. Ja er ist so unglaublich schön. So perfekt. Er wird einfach immer schöner... René sagt: 'ich würde ihn für nichts auf der Welt tauschen wollen.'

Sofort denke ich an Joep, für eine zehntel Sekunde denke ich ob er ihn auch nicht für Joep tauschen würde? Dann schiebe ich den Gedanken schneller weg als er kam. Das geht nicht. Ich brauche nicht darüber nach zu denken. Joep ist tot. Joep kommt nie wieder. Aber sein Bruder ist da. Hier, in meinem Arm. Ich flüstere zurück: 'ja, er ist wunderschön. Er bleibt für immer bei uns! Er muss!' Und in Gedanken denke ich das wenn es das beste für ihn wäre ich ihn gehen lassen müsste und würde. Ihm zu liebe... Ich will nur das beste für ihn. Und ich hoffe das das Beste für ihn die nächsten 20 Jahre bedeutet bei Mama und Papa zu bleiben. Das er alt und Weise wird. Ein guter Mensch der stolz auf seine besondere Familie ist, und wir werden immer stolz auf ihn sein. 

Joeps Bruder macht unser Leben wieder schön. Es geht uns besser. Es gibt wieder so viel Freude. Aber selbst in den schönsten und wärmsten Momenten wie der gerade denken wir auch an Joep. Ich bin mir sicher das auch René in dem Moment an Joep dachte. Wie gerne hätten wir hier zu 4. gelegen. Wie schön wäre es gewesen wenn René gesagt hätte 'sie sind so schön', ich meine Augen geöffnet hätte und beide meine Söhne gesehen hätte.

Und dann kullert sie, eine Träne für Joep heute morgen. Weil auch die Traurigkeit und das Vermissen immer da sind. Auch in den schönsten und wärmsten Momenten des Glückes.