29.01.2017

Schwangere in meiner Umgebung

Seitdem Joep tot ist wollte ich eigentlich vor allem eins nicht mehr sehen: Schwangere!
Sie erinnern mich so sehr an meine glücklichste Zeit und es tut mir so weh sie zu sehen. Diese glücklichen Gesichter, diese Naivität die ich auch hatte. So etwas passiert mir doch nicht.

Jeder dicke Bauch den ich sehe versetzt mir einen Stich ins Herz, erinnert mich an alles was ich hatte und jetzt so schmerzlich vermisse, erinnert mich an meine leeren Hände. Jedes mal wenn mir wieder jemand erzählt dass sie/er Mama/Papa wird dann weiß ich nicht wie ich reagieren soll. Ich kann mich nicht freuen, denn in diesem Moment werde ich an meinem schlimmsten Schmerz erinnert. In dem Moment weiß ich, dass diese Menschen bald haben werden, was ich doch schon lange haben sollte.

Ständig laufe ich mit dieser Angst rum, was wenn XY schwanger ist? Ich schaue ganz genau hin, raucht diese Person noch? Trinkt diese Person noch? Jemand zieht um, grössere Wohnung. Es wird Hals über Kopf geheiratet. Dann ist das erste was ich denke: "Was wenn sie schwanger ist?" Und ja, irgendwie sind all die Leute dann auch tatsächlich schwanger. Sobald ich dieses Vorgefühl habe, dauert es nicht mehr lange und ich bekomme diese "glückliche Neuigkeit" präsentiert.

Seit meiner Fehlgeburt habe ich schon von 5 Leuten gehört dass sie schwanger sind. Seit Joep gestorben ist noch von viel mehr... Es ist natürlich mein Alter, Menschen in meinem Umfeld sind ungefähr gleich alt und haben die gleichen Pläne wie wir. Ich kann es niemandem verbieten, aber in mir ist dieses Gefühl gegen das ich nichts tun kann: 'Das nächste Kind sollte meins sein, ich verdiene es am aller meisten.'

Immer bin ich so erleichtert wenn ich von jemandem höre, dass ich mir um sie keine Gedanken machen muss, dass sie es noch nicht probieren. Wieder eine Sorge weniger. Manchmal frage ich Menschen: Bitte sag mir Bescheid sobald du es versuchst, damit ich mich darauf einstellen kann, damit es mich nicht überrascht.

Ich hoffe dass das irgendwann leichter wird, dass ich mich wohl freuen kann wenn mir jemand erzählt, dass sie ein Kind erwarten, dass ich einem dicken Bauch nicht mehr aus dem Weg gehen muss weil er mir zu weh tut und schlecht für mich ist. Ich gehe allen Schwangeren aus dem Weg, ich kann es einfach nicht, ich will es nicht. Ich will nicht daran denken, dass sie bekommen was ich so vermisse. Es tut einfach zu weh.

Dazu kommt noch, dass ich von vielen Schwangeren denke, dass sie es nicht gut genug machen, dass sie es nicht genug zu schätzen wissen. Dann werde ich böse: Warum freust du dich nicht genug? Verstehst du nicht was für ein Wunder das ist? Warum gehst du Risikos ein? Warum weißt du nicht, dass du keine Salami essen darfst? Warum färbst du dir die Haare? Solltest du nicht weniger arbeiten? Ist das nicht zu schwer zum tragen? Seid ihr nicht gerade erst ein paar Monate zusammen? 

Keine Schwangere kann es richtig machen, dass weiß ich. Sie können mir ja auch nicht unter die Nase reiben wie glücklich sie darüber sind, das wäre auch schrecklich. Aber es nicht zu zeigen hilft mir auch nicht. Ich habe mir während Joeps Schwangerschaft auch 1 mal Highlights färben lassen. Ich wusste anfangs auch nicht, dass ich keine Salami essen darf. Ich habe bis zum Schluss mehr als 4 kg getragen. Aber mit meinem Wissen von jetzt, würde ich die Risikos nicht mehr eingehen. Ich weiß genau, dass ich nicht fair bin. Es passt auch gar nicht zu dem wie ich früher war, aber mein Kopf kann meine Gefühle nicht besiegen. Ich sage die richtigen Dinge, versuche meinen Schmerz nicht zu deutlich zu zeigen, aber irgendwann geht es nicht mehr und dann sage ich es wohl, dass ich Abstand brauche und hoffe, dass ich niemanden verletzte. Natürlich weiß ich dass niemand schwanger geworden ist um mich zu verletzten. Um so mehr schätze ich die Menschen, die es mir früh erzählen, am liebsten noch bevor ich es ahnte. Es via via zu hören ist richtig scheiße, aber der Vorteil hieran ist, dass ich diesen Menschen jetzt einfach ganz aus dem Weg gehen kann und tun kann, als ob es nicht so ist. Wenn sie zu Feige waren es mir zu erzählen und ich es ihnen nicht Wert bin es mir ins Gesicht zu sagen, dann muss ich mich auch nicht schämen, wenn ich nicht an sie denke.

Verrückter Weise gibt es dann auch die Menschen für die ich mich wohl freuen kann, denen ich es sehr schnell gönnen kann. Es sind die Menschen die mir nicht das Gefühl geben, dass Kinder kriegen selbstverständlich ist und die verstehen wie besonders es ist schwanger sein zu dürfen. Es sind die Menschen von denen ich sofort denke: Ihr werdet so gute Eltern, ihr würdet alles für dieses Kind tun. Aber es sind die wenigsten die dieses Gefühl in mir verursachen.

Jedes Mal wenn ich höre, dass es ein Mädchen wird bin ich so erleichtert! "Wenigstens kein Junge" denke ich dann. Der nächste Junge, vielleicht ist das ja meiner...
Ich hoffe, dass es einfacher wird wenn ich selbst wieder einen dicken Bauch habe. Ich hoffe, dass ich mich dann mit anderen Schwangeren treffen kann und es genießen kann sie in meiner Umgebung zu haben. Wenn ich erstmal wieder ein Kind im Arm halte und es hoffentlich gesund mit nach Hause nehme, dann hoffe ich, dass mir die dicken Bäuche nicht mehr so weh tun werden. Die Zukunft wird es hoffentlich zeigen...

26.01.2017

Erinnerungsstofftier - Eine Katze aus Joeps Jäckchen



Der hübsche Lars mit Mama und Papa
Vor Monaten habe ich die Mama von Lars kennen gelernt. Lars ist genau wie Joep nur eine Woche alt geworden. Bei der Geburt hatte er einen schweren Sauerstoffmangel erlitten, der sein Gehirn auf die schlimmste Art und Weise beschädigt hat. Genau wie bei Joep wurde entschieden, dass die Behandlung beendet wird und Lars nicht leben darf. Er hätte niemals glücklich werden können. Lars war ein wunderschöner Junge und seine Eltern vermissen ihn schrecklich.

Irgendwann hatte Margriet, die Mama von Lars, die Idee, aus seiner Kleidung ein Stofftier zu machen, um so mit seinen Sachen kuscheln zu können. Ein Stofftier lässt sich einfach viel besser kuscheln als ein Strampler. Zusammen mit ihrer Mama macht sie jetzt auch Stofftiere für andere Mamas, um ihnen so ein wenig Trost spenden zu können.

Auch für mich hat sie ein Stofftier gemacht: eine Katze, die gleichzeitig eine Spieluhr ist und 'you are my sunshine' spielt wenn man am Schwanz zieht. Irgendwann wird diese Katze im Bett von Joeps Geschwisterchen sitzen und dann wird 'Joep' für seine Geschwisterchen 'singen'. Und bis es soweit ist, wird sie bei mir im Schlafzimmer leben. Ich habe die Katze noch nicht abgeholt, ich möchte sie gerne persönlich abholen, darum kann ich leider noch kein Foto posten, aber ich habe ein Video gesehen und ich bin wirklich total begeistert!

Ich habe 2 Jäckchen ausgewählt die Joep leider nie anhatte. Zufällig hatte ich die Jacke die Joep anhatte auch noch eine Nummer grösser und in einer anderen Farbe. Diese Jacke habe ich ausgewählt für diese Spieluhr. Die zweite Jacke passte vom Material perfekt dazu und ich wollte gern ein grosses Stofftier, darum habe ich mich für diese Kombination entschieden. Die Jacke, die Joep anhatte und die man auch auf seinen Fotos sieht, konnte ich nicht verarbeiten lassen. Sie ist einfach noch viel zu wichtig für mich. Aber ich habe so viel Kleidung für ihn gekauft und in jedem Stück steckt so viel Liebe, dass es wirklich nicht einfach war mich zu entscheiden. Das Kleidungsstück durfte nicht zu besonders, aber trotzdem besonders sein.

Margriet hat seit diesem Monat einen Onlineshop, den sie nach Lars benannt hat: LoveLars. Hier kann man aus verschiedenen Erinnerungsstofftieren (herinneringsknuffel) wählen und dann die Kleidung, aus der man das Stofftier machen lassen will, mit der Post zu ihr schicken. Zusammen mit ihrer Mama wird dann mit viel Respekt und Liebe die Kleidung in ein Erinnerungsstofftier verwandelt und mit der Post zurück nach Hause geschickt. Hier seht ihr die Katze die aus Joeps Jacken gemacht wurde: https://www.lovelars.nl/a-47144105/herinneringsknuffels/herinneringsknuffel-groot-met-muziekdoosje/

Ich finde diese Idee so toll, dass ich sie auch hier teilen möchte. Vielleicht liest dies ja irgendjemand hier, für den es genau das Richtige ist und der gerne so eine Erinnerung braucht/möchte. Margriet meinte, dass sie auch Aufträge aus Deutschland annehmen würde: Hauptsache sie kann anderen Mamas, Papas und Geschwistern etwas Trost bieten.

Margriet, wat ben je toch een topper! Ik ben oprecht trots op je en heel blij en dankbaar dat ik je mocht leren kennen. Je bent een inspiratie en steun voor mij en hopelijk veel andere sterrenmamas. Ik weet zeker dat Lars weer lekker aan het opscheppen is op zijn wolkje en heel erg trots op je is.

Sternenmama

Lange wusste ich nicht wie man mich eigentlich nennt. Verwaiste Mutter? Aber was wenn ich wieder Kinder habe, halbverwaiste Mama? Irgendwie ist es nicht richtig. Eine Zeit lang habe ich mich selbst auch trauernde Mama genannt, irgendwie passte das für eine Zeit lang, aber mittlerweile ist meine Trauer abgeschwächt. Ich bin noch sehr traurig, aber die tiefe Trauer in der ich steckte hat sich verändert und ich kann mich doch nicht ewig trauernde Mama nennen? Irgendwann werde ich mit Freude und Liebe an Joep denken und irgendwann wird die Traurigkeit weniger werden. Es gibt kein richtiges Wort für mich und das fand ich lange schwierig.

Wir erkläre ich es anderen Menschen? Ich sage immer mein Sohn ist gestorben. Worte die unfassbar weh tun, aber ich habe mich daran gewöhnt. Wäre mein Mann gestorben, hätte ich das nicht so sagen müssen. Ich hätte die Wahl gehabt und auch sagen können, dass ich Witwe bin. Wären meine Eltern gestorben, wäre ich eine Waise. Aber wenn dein Kind stirbt, dann gibt es kein richtiges Wort und erstrecht keins, dass anerkannt und bekannt ist. Und das fühlt sich falsch an - Warum gibt es für uns kein Wort? Weil es zu schlimm ist? Weil es nicht schlimm genug ist? Warum hat sich nie jemand die Mühe gemacht ein Wort zu etablieren für Eltern die ihr Kind/ihre Kinder verloren haben.

Und diese Woche habe ich dann ein Wort gefunden, dass wohl zu mir passt: Sternenmama/Sterneneltern. Ich habe es mir selbst ausgedacht und dann gedacht, dass könnte was sein. Also habe ich es gegoogelt und scheinbar war ich nicht die Erste mit diesem Gedanken. Es gibt mehr Mamas, die sich Sternenmama nennen. Ich denke immer an Joep wenn ich Sterne sehe und darum passt es so gut. Außerdem habe ich den Begriff Sternenkind schon oft gehört, dann ist es doch nur logisch, dass die Mama eines Sternenkindes eine Sternenmama ist.

Ich bin also eine Sternenmama! Mein Leben als Sternenmama muss ich noch lernen zu meistern, aber es klappt immer besser. 

22.01.2017

Hausarzt und Psychologen

Eine der größten Enttäuschungen nach Joeps Tod war wohl unser Hausarzt. Während der Schwangerschaft sind wir umgezogen und wir hatten auch einen neuen Hausarzt, den wir noch nicht gut kannten.

Sobald ich wusste das Joep sterben würde, rief ich ihn an, weil ich einen Termin mit einem Psychologen wollte. Ich wollte und brauchte Hilfe, dass wusste ich, ich war mir ganz sicher. Allein konnte und wollte ich das nicht und ich wollte alle Hilfe annehmen und suchen die ich kriegen konnte.

Aber schon am Telefon sagte er mir, dass ich keinen Psychologen bräuchte. Ich musste ihn überzeugen und es fühlte sich nicht richtig an. Warum wollte er mir nicht einfach helfen? Gerade er war doch dafür zuständig mir das Leben ein wenig leichter zu machen - wenn er es konnte. Joep war noch bei mir, lebte noch, also hatte ich die Kraft mich durchzusetzen. Noch war ich stark und noch konnte ich alles!

Kurz nachdem Joep gestorben ist, ist er bei uns zuhause vorbei gekommen. Das hatte er selbst vorgeschlagen und wir dachten, dass das eine gute Idee sei. Aber als er dann da war, wurde das Gefühl das wir bei ihm hatten nur noch schlechter. Joep war gerade ein paar Tage beerdigt und er sagte zu mir: "Am besten kannst du sofort wieder schwanger werden".

Rene und ich dachten wir hören nicht richtig. Was um alles in der Welt sagt dieser Mann, der auf  meiner Couch sitzt, gerade? Rene und ich hatten einen starken Kinderwunsch. Sofort nach Joeps Geburt dachte ich, wie schön es wäre das nächste Kind sofort mit nach Hause zu nehmen. Wir wollten wieder Kinder, ja. Aber er tatso, als ob wir Joep so mir nichts dir nichts ersetzen konnten und wir wussten beide, dass das einfach falsch ist. Wir fragten ihn, ob das denn nicht schlecht fürs Kind sei? Sofort wieder schwanger zu werden? In unserer tiefen Trauer? So kurz nach einer Geburt? Nein nein, das sei das beste für alle. Wir wussten sofort, dass es Unsinn ist und nicht stimmte. Wir wussten sofort, dass wir einen neuen Hausarzt brauchten, aber die Energie einen zu suchen hatten wir nicht.

Ein paar Tage später sagte meine Hebamme mir, als wir hiervon erzählten, dass sie immer allen rät ein halbes Jahr zu warten, weil der Körper erst dann nach der Geburt wieder alle Vitaminvorräte auffüllen muss und erst dann einem Baby wieder alles geben kann was es braucht. Außerdem sei Trauer schlecht fürs Kind, denn Trauer ist für den Körper Stress, auch wenn es sich nicht so anfühlt.

Ich musste den Hausarzt fast zwingen mir einen Termin mit der Psychologin zu machen, aber er tat es. Leider war auch der Termin mit der Psychologin, die mit ihm zusammen arbeitet, sehr enttäuschend. Sie war jung und hatte keine Erfahrung mit unserer Situation, das war uns ganz schnell klar. Sie arbeitete eine Liste ab, die sie wahrscheinlich immer abarbeitet. Trinken wir? Nehmen wir Drogen? Wir fühlten uns nicht am richtigen Ort, nicht gut aufgehoben. Sie stellte Fragen die uns nicht helfen konnten, im Gegenzug konnte sie aber keine meiner Fragen beantworten, sagte mir immer nur, dass das bei jedem anders sei und dass sie es auch nicht weiß. Wir vereinbarten einen 2. Termin, ich wollte ihr noch eine Chance geben, aber eigentlich wusste ich sofort, dass das nichts wird. Ich befand mich jedoch in einem Ausnahmezustand und vertraute mir selbst nicht, also wollte ich es noch einmal probieren. Das nächste Gespräch war viel besser, sie hatte sich scheinbar informiert, aber für uns war der Zug abgefahren. Ich wollte nicht mehr zu ihr und wir machten keinen neuen Termin.

Irgendwann zwischen diesen beiden Terminen bei der Psychologin, meldete sich eine Kollegin mit der ich immer einen guten Kontakt hatte und wollte wissen wie es uns jetzt ginge. Sie erzählte von einer Freundin ihrer Mutter, die in dem Krankenhaus arbeitete in dem Joep geboren wurde und deren Job es ist, Mamas wie mich zu betreuen. Sie ist eine psychiatrische Krankenschwester. Ich ging zu meinem Hausarzt, weil ich eine Überweisung haben wollte, aber er stellte mir keine aus. Er sagte ich sollte selbst im Krankenhaus anrufen und wenn sie eine Überweisung bräuchten, dann könnte ich mich nochmal melden. Also rief ich im Krankenhaus an, ich bekam eine Dame die an der Rezeption arbeitet. Ich sagte ihr dass ich einen Termin bei dieser Frau wolle und sie fragte warum. Also erzählte ich weinend dass mein Sohn vor 2 Wochen gestorben ist und ich Hilfe brauche und ich ihren Namen von einer Freundin bekommen habe und dass mein Hausarzt mir keine Überweisung schreiben wollte und ich nicht wusste was ich tun soll. Sie regelte alles für mich und am nächsten Tag hatte ich einen Termin. Aber da ich keine Überweisung hatte war das nur eine Ausnahme. Ich verstand das System nicht, aber ich durfte nur 3 mal mit ihr sprechen, obwohl ich ihre Hilfe wirklich nötig gehabt hätte. Leider hatte ich nicht die Energie um mich durchzusetzen oder etwas zu regeln. Ich akzeptierte es so wie es war und dachte mir: Dann nicht, wenn du mir nicht helfen willst, brauche ich dich auch nicht. Ironischerweise darf ich jetzt, wo ich nicht schwanger werden kann, so viele Termine bei ihr machen wie ich will. Jetzt brauche ich sie wirklich nicht mehr.

Ich nahm es meinem Hausarzt sehr übel, dass er sich weigerte für mich einen Termin zu machen. Er hätte mir mit einem Anruf viel ersparen können. Ich fand es unheimlich schwer selbst anzurufen und alles zu regeln. Ich finde, dass es seine Aufgabe als Hausarzt gewesen wäre mir mein Leben etwas einfacher zu machen, wenn er es doch so einfach konnte, stattdessen machte er es mir schwerer.

Meine Hebamme sagte ein paar mal, dass ich mir eine Trauerpsychologin suchen solle, aber ich hatte keine Energie mehr. Überleben kostete all meine Energie und etwas so komplexes wie eine Psychologin zu finden die auf Trauer spezialisiert ist, schaffte ich einfach nicht. Außerdem dachte ich, ich bräuchte sie nicht, wo mich doch bist jetzt jeder enttäuscht hatte. Ich würde es auch alleine schaffen sagte ich mir. Sie schlug es mir immer wieder vor bis sie mir eine Adresse aufschrieb, die sie rausgesucht hatte und meinte ich hätte nichts zu verlieren. Diesmal tat ich was sie sagte und nahm Kontakt auf mit der Frau. Ich denke die Tatsache, dass ich ihr eine Mail schreiben konnte machte es für mich viel einfacher den Kontakt zu suchen, anrufen war einfach nicht drin. Leider war sie gar keinen Trauerpsychologin für Erwachsene sondern eine für Kinder. Aber sie hat mir schließlich jemanden in der Nähe gesucht und zu ihr gehe ich heute noch in regelmäßigen Abständen. Anfangs ging ich alle 2 - 3 Wochen, mittlerweile geht es mir besser und ich gehe nur noch alle 2-3 Monate. Wirklich helfen im Sinne von einer Therapie konnte sie mir nicht (Ich habe auch nie darum gebeten und finde auch, dass das nicht nötig ist. Ich bin nicht krank, Trauer is keine Krankheit die therapiert werden muss), aber mir ihr zu reden tat mir immer gut. Mit ihr konnte ich Situationen besprechen, die mir im Alltag schwer fielen und sie dachte mit, bestätigte oft meine Gedanken. Von ihr konnte ich annehmen wenn sie sagte, dass ich es wirklich alles gut mache, dass meine Trauer gesund ist und ich mir keine Sorgen machen muss. Das konnte ich sonst von niemandem, was wissen denn meine Eltern, Schwestern, Schwiegerfamilie, Freunde, Kollegen oder die Nachbarn? Die haben nie ihr Kind nach 8 traumatischen Tagen verloren. Meiner Trauerpsychologin glaubte ich und das gab mir eine Art innere Ruhe, die Gewissheit, dass ich es wirklich gut mache, diese Bestätigung hatte ich lange gesucht aber vorher nicht gefunden.

Ich suchte mir einen neuen Hausarzt, nach wenigen Wochen schon. Ich nahm den Hausarzt, bei dem ich mich via Email anmelden konnte. Anrufen und erklären was los war konnte ich einfach noch nicht. Ich bekam seine Adresse von der Psychologin, zu der ich nur 2 mal gegangen bin. Mein neuer Hausarzt war sehr mitfühlend und wir hatten anfangs fast jede Woche einen Termin um zu reden was uns/mir gut tat. Mittlerweile ist er in Rente gegangen und habe ich wieder eine neue Hausärztin. Sie scheint ganz okay zu sein, aber um ehrlich zu sein, kenne ich sie kaum. Ich war nur bei ihr wegen meines Zyklusses und habe eigentlich sofort verlangt, dass sie mir eine Überweisung ins Krankenhaus schreibt, damit ich endlich untersucht werden konnte. Denn der alte Hausarzt, der in Rente gegangen ist, wollte mir nicht glauben, dass mein Zyklus wirklich schlecht ist, dass ich nicht schwanger werden konnte. Er sagte alles sei normal, es käme durch die Geburt und die Trauer. Im Krankenhaus halfen sie mir nach Wochen Wartezeit dann endlich und gaben mir Recht. Mein Zyklus war so schlecht, dass ich nicht schwanger werden konnte. Aber das habe ich alles in einem anderen Bericht beschrieben der um unseren Kinderwunsch geht.

21.01.2017

Mein Gehirn filtert den Schmerz aus meinen Erinnerungen

Es fällt mir immer wieder auf. Wenn ich zurück denke an die letzten Monate, ja sogar fast das ganze letzte Jahr, dann merke ich dass ich mich nicht an dem Schmerz erinnern kann wie er war. Mein Gehirn scheint ihn ab zu schwächen um mich zu beschützen.

Ich erinnere mich an die Situationen in denen ich kurz lachen konnte, auch kurz nach Joeps Tod, ich erinnere mich an die Scherze und muss wieder lächeln. Ich erinnere mich nicht mehr dass ich an diesem Tag auch unfassbar traurig war oder weinte. Ich weiß dass es so war, denn ich weinte jeden Tag. Jeden Tag empfinde ich den Schmerz des Vermissens und der Trauer aber das Gefühl des Schmerzes ändert sich und mein Gehirn vergisst wie er sich all die Monate anfühlte.

Ich kann mich nicht erinnern wie unfassbar weh es tat, ich weiß es ganz genau, der Schmerz war so unerträglich dass ich lieber nicht mehr leben wollte aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern wie es sich wirklich anfühlte. Es ist verrückt. Ich erinnere mich wohl noch ganz genau an den Stolz den ich immer für Joep fühlte und noch immer fühle, der hat sich auch nicht verändert. Ich bin so unglaublich stolz auf meinen kleinen starken hübschen Jungen. Ich erinnere mich so gut an die Liebe die ich fühlte als er noch da war und jetzt während ich das schreibe steigen mir Tränen in die Augen weil ich die Liebe so deutlich fühle, weil es die schönsten Momente meines Lebens waren.

Wahrscheinlich sollte ich froh und dankbar sein dass ich mich nicht mehr richtig an diesen Schmerz erinnere. Auch der Schmerz den ich heute noch fühle ist so viel schlimmer als alles was ich jemals vor Joep gefühlt habe. Aber irgendwie fühlt es sich auch an als ob mein Kopf mir ein Stück von Joep wegnimmt das doch so zu ihm gehört.

Meine Liebe die ich empfinde fließt in allen Tränen die ich weine. Traurigkeit ist ein Teil von mir geworden, es gehört so sehr zu mir dass mein Kopf es scheinbar nicht mehr für wichtig hält dass ich mich richtig daran erinnere. Traurigkeit ist eine Art neue Eigenschaft die mir von Joep geblieben ist, sie gehört zu meinem neuen Ich, sie ist immer da, auch wenn ich lache, auch wenn ich nicht bewusst an sie denke.

Vielleicht filtert mein Gehirn auch weil es auf dem Weg in die Zukunft ist. Irgendwann werde ich an Joep denken und glücklich lächeln voller Dankbarkeit und Liebe weil ich seine Mama sein darf. Dann werde ich Liebe empfinden und wird die Liebe in meinem Lächeln stecken anstatt in meinen Tränen. Dann werde ich wieder glücklich sein und wird Joep Teil meines Glückes sein.

20.01.2017

Eine Hand auf meiner Schulter

Oft sagen die Leute zu mir: "Ich weiß nicht was ich sagen soll" wenn ich das erste mal erzähle dass Joep gestorben ist. Ich sehe jedem immer an dass sie sich erschrecken, egal ob es Menschen sind die selbst Kinder haben oder nicht, in erster Instanz erschreckt sich jeder.

Nach einiger Zeit merke ich allerdings das Menschen ganz unterschiedlich reagieren. Manche Menschen können sich besser einleben als andere. Menschen mit Kindern in der Regel besser als Menschen ohne weil sie wissen was wir vermissen. Wenn jemand selbst keine Kinder hat kann er nicht wissen wie sehr man sein Kind liebt, wie stark die Liebe ist die ich nicht geben kann.

Niemand weiß was er sagen soll weil es nichts gibt das man sagen kann. Niemand kann etwas sagen das meinen Schmerz weg nimmt. Aber kleine Gesten sagen oft genug.

Auf der Arbeit passiert es öfter dass ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter spüre, ein kleiner Moment. Jemand läuft vorbei, oft sagen sie kein Wort, aber es ist diese kurze Berührung die mir sagt: "Ich denke an dich und Joep, ich weiß dass es dir nicht gut geht. Ich finde es tapfer dass du hier sitzt und arbeitest und versuchst dein Leben wieder auf zu bauen." Die erste Hand auf meiner Schulter war wirklich etwas besonderes, ich habe nie gedacht dass so eine kleine Berührung, so eine kleine Aufmerksamkeit, so gut tun kann. Seitdem gibt es das immer wieder, von vielen verschiedenen Menschen ohne dass ich je gesagt habe wie angenehm ich es finde.

Ich brauche keine grossen Worte, der Schmerz in den Augen der anderen wenn ich weine, oder die Hand auf meiner Schulter sind mehr als genug. Es reicht mir wenn ich spüre/höre das jemand an mich denkt, dann muss er nichts großes sagen.

Solange man mir das Gefühl gibt dass ich über Joep reden darf wenn ich das gerne möchte, mehr kann man für mich nicht tun. Das chinesische Zeichen für zuhören ist so passend und beschreibt alles was ich von meinem Gegenüber brauche:

Afbeeldingsresultaat voor chinees symbol listen


Ich bin so dankbar für jede Hand auf meiner Schulter.

15.01.2017

Der 15.

Jeden Monat bekommt Joep am 15. einen Ballon auf den ich schreibe wie alt er hätte werden sollen.
Es vergeht kein Monat am dem ich am 15. nicht ganz genau weiss was an diesem Tag passiert ist... Erst lag Joep 2 Stunden bei mir auf der Brust. Kurz danach starb er fast in Renes Händen. Er wurde so schnell wie möglich nach Leiden gebracht und sofort operiert. Alles war gut, er war stabil, uns wurde Hoffnung gemacht. Dann hatte Joep die Hirnblutung, wieder starb Joep fast während wir gerade versuchten zu schlafen weil wir so erschöpft waren. Aber er war so stark, ein echter Kämpfer! Joep hat den 15. überlebt und uns gezeigt wie stark er ist, um uns Mut zu machen, die Stärke hatte er von uns und jetzt müssen wir schon 9 Monate stark sein.

Der 15. Februar war der schönste Tag meines Lebens, der glücklichste. Jeden Monat am 15. erinnere ich mich an jede Sekunde dieses Tages. Jeden Monat am 15. bin ich unendlich traurig weil ich weiß dass Joep nicht bei mir sein darf, weil ich immer an die glücklichste Zeit meines Lebens denke und dann weiß dass es der Anfang der traurigsten Zeit meines Lebens war. Die Hirnblutung war der Anfang des Endes von unserem Glück. Genau jetzt, vor 11 Monaten war Joep gerade außer Lebensgefahr und dachten wir dass er überleben wird. Ich war mir sicher, ich musste mir sicher sein. 
Ich durfte nichts anderes denken, der Gedanke war unerträglich und Joep brauchte unsere Hoffnung.

Jeder 15. Ist etwas ganz Besonderes. An jedem 15. mache ich für Joep einen Ballon den ich an seinem Grab fest mache.

Leider habe ich im Mai kein Foto gemacht von Joeps Grab, aber er hatte jeden Monat einen Ballon:


03.01.2017

Traum

In letzter Zeit träume ich öfter dass ich wieder schwanger bin. Seitdem ich positiv getestet habe habe ich in meinem Traum oft wieder eine kleine Kugel mit der ich rum laufe. Auch diese Nacht war ich im Traum wieder schwanger aber dieser Traum war doch so heftig dass ich ihn aufschreiben will.
Im Traum hatte ich einen richtig dicken Bauch. Rene und ich waren im Urlaub, das Wetter war schön und wir liefen irgendwo an einer Küste rum. Alles war gut, ich war sicher schon 8 oder 9 Monate schwanger. Wir liefen an der Küste entlang und kamen an einem kleinen Kinderfriedhof vorbei. Ich wollte unbedingt gucken gehen weil dort Lars lag, der Sohn einer Mama die ich durch LE kennen gelernt habe, ich habe Lars schon ein paar mal an seinem Grab besucht und auch im Traum erkannte ich sein Grab ganz schnell. Es war der gleiche Grabstein wie im echten Leben aber Joep lag hier nicht. Wir waren in Urlaub und Joep lag zuhause.
Irgendwann später wusste ich plötzlich dass das Baby in meinem Bauch tot war, dass ich kein lebendes Kind bekommen würde. Es war komisch, ich weinte, ich war so emotionslos. Es fühlte sich nicht schlimmer an als die Fehlgeburt die ich gerade hatte. Irgendwie hatte ich scheinbar kaum eine Bindung aufgebaut zu dem Baby. Wir waren noch immer im Urlaub und ich bekam Wehen, die Geburt ging so schnell dass wir es nicht einmal ins Krankenhaus geschafft haben. Ich bekam wieder einen Sohn. Er war gross und wunderschön. Er ähnelte Joep aber sah doch auch anders aus. Die Gedanken an und die Ähnlichkeit zu Joep waren was mich letztendlich traurig machte. Ich hielt das Baby, wusch es, kuschelte es, der kleine Bruder war wunderschön. L. sollte er heißen, das wusste ich in meinem Traum sicher und es war wunderschön mein Baby im Arm zu halten, wunderschön aber auch traurig weil er sich nicht bewegte, weil er schlapp war und nicht weinte.
Joeps Bruder wurde auf dem Friedhof auf dem auch Lars lag begraben und irgendwie lag jetzt auch Joep auf diesem Friedhof. Margriet schickte mir ein Foto, sie hatte Joep ausgegraben. Joep war noch immer wunderschön und Joeps Bruder lag neben Joep. Sie sahen sich so ähnlich und waren beide so hübsch dass ich mich gar nicht entscheiden konnte wer von den beiden hübscher war. Ich war so froh dass Margriet mir die Fotos schickte und ich sie nebeneinander sehen konnte. Zwei wunderschöne neugeborene Jungen die nicht leben durften und jetzt zusammen waren. Dass sie zusammen waren fühlte sich richtig an.
Nachdem beide einen Grabstein hatten zweifelte ich plötzlich. Warum hatte ich dieses Baby L. genannt? Ich wollte mein lebendes Baby L. nennen und jetzt waren die 2 schönsten Namen vergeben und standen nur auf einem Grabstein. Es fühlte sich an wie ein Fehler, dieser kleine Junge hätte Koen oder Roel oder Joeri heißen sollen dachte ich. Warum hatte ich ihn nur L. genannt?
Es war ein komischer Traum... Es dauerte einige Zeit bevor ich mich heute morgen wieder erinnerte dass ich diesen Traum hatte. Wahrscheinlich sind es meine Ängste die Schuld haben an diesem Traum. Noch ein Kind verlieren ist das schlimmste was ich  mir vorstellen kann. Als ob das Leben noch so viel Schreckliches für mich geplant hat und mein Traum hat sich schon mal überlegt was das sein könnte. Vielleicht hatte es auch mit der Fehlgeburt zu tun, von der ich so sicher bin dass es wieder ein kleiner Junge war, es hätte ein kleiner L. sein sollen aber den Namen bewahren wir uns für das nächste Kind das wir mit nach Hause nehmen dürfen.

01.01.2017

Gästebuch

Über einen Eintrag im Gästebuch würde ich mich sehr freuen!
Ich habe in erster Linie angefangen diesen Blog zu schreiben um mir alles von der Seele zu schreiben was mich beschäftigt. Dieser Blog ist eine Art Therapie für mich.

Seit Monaten merke ich aber dass dieser Blog sehr oft angeklickt wird und ich würde mich freuen mehr über meine Leser zu erfahren. Habt ihr Fragen? Oder Themen über die ihr gerne mehr hören wollt? Wer seid ihr?