26.04.2017

Puzzelstücke

Nachdem Joep gestorben ist überkam mich das Gefühl dass ich viel zu wenig über ihn weiß und ich hatte Angst dass ich auch nur eine Kleinigkeit vergessen könnte.

Ganz unbewusst fing ich an alles zu sammeln was mit Joep zu tun hatte. Ich fing damit an jede Sekunde seines Lebens auf zu schreiben. Die Woche mit Joep ging so unfassbar schnell und es passierte  so unglaublich viel in kurzer Zeit. Noch erinnerte mich an jedes Detail aber für wie lang noch?

Joep starb in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch. Mittwoch morgen kamen wir wieder zuhause an und fingen an seine Beerdigung zu planen. Donnerstag morgen setzte ich mich sofort hinter meinen Laptop und fing an wie besessen zu schreiben. Ich schrieb Stunden lang, Tage lang. Zwischendurch planten wir seine Beerdigung und versuchten zu überleben.

Joeps Tagebuch entstand und mit diesem Tagebuch entstand dieser Blog. Ohne es zu wissen hatte ich eins der ersten Puzzelstücke aus Joeps kurzen Leben gesammelt. Die nächsten Wochen trieb mich die Suche nach allen Puzzelstücken voran.

Ich bekam von der Hebamme den Bericht über die Geburt den ich gelesen habe obwohl ich kaum etwas davon verstand. Noch ein Puzzelstück das ich gefunden habe.

Außerdem nahm ich Kontakt auf mit dem Klinikum in dem Joep sein kurzes Leben gelebt hat und fragte ob ich seine Krankenakte haben konnte. Auch die kam Wochen später mit der Post an. Bis heute habe ich sie nicht gelesen aber wenn ich irgendwann das Bedürfnis habe dann weiß ich dass ich sie hier habe und ich alles noch einmal nachlesen kann.

Joep bekam eine Versichertenkarte und wir hatten die Papiere von der Anmeldung bei der Gemeinde. Alles Puzzelstücke die ich sammelte.

Natürlich haben wir auch all die Fotos und Videos von Joep die wohl unsere schönste Erinnerung an Joep sind, sie halten ihn in unserer Erinnerung lebendig und durch diese Fotos und Videos kann auch der Rest der Welt Joep kennen lernen. Sie zählen sicher zu den Puzzelstücken.

Aber auch die Aufnahme seines Herzschlages die ich selbst von meinem Handy löschte als ich mein Handy verkaufte war ein Puzzelstück dass fast verloren gegangen ist. Ich wusste ich hatte seinen Herzton via Whatsapp verschickt aber niemand schien ihn mehr zu haben. Letztendlich ist es meiner Mutter gelungen (mit viel Hilfe von Google, mir und meinen Schwestern) die Aufnahmen auf ihrem Handy in irgendeinem unbekannten Archief zu finden. Ich bin so dankbar dass ich diese Aufnahmen wieder habe, sonst hätte ich nie wieder sein Herz schlagen können hören.

Bei all den Ultraschalluntersuchungen bekamen wir Fotos auf einem USB Stick mit nach Hause wodurch wir auch von diesen Untersuchungen viele Erinnerungen haben. Ein Glück denn als ich die Hebamme fragte ob sie evtl noch Aufnahmen von seinem Herzen habe wurde mir gesagt dass solche Aufnahmen nicht gespeichert werden.

Ich suchte und sammelte überall und irgendwann hatte ich das Gefühl dass ich alle Stücke gefunden hatte und dass ich Joeps Leben komplett hier zuhause habe, wo es hingehört.

Im Moment lasse ich eine Erinnerungskiste machen in die wir dann alle Erinnerungen an Joep legen werden.

Das letzte Puzzelstück dass ich noch machen muss ist wohl sein Fotobuch. Etwas das ich bis heute nicht geschafft habe, irgendwie hatte ich ein paar mal zwar das Bedürfnis damit an zu fangen aber ich schaffte es nicht weiter zu machen. Es fängt so unfassbar glücklich an und endet so tragisch mit einer Beerdigung. Es bricht mir das Herz. Aber irgendwann werde ich es machen, irgendwann, ganz sicher!

Das Tagebuch dass ich über Joeps Woche geschrieben habe habe ich die ersten Wochen oft gelesen, dann fühlte ich mich Joep ganz nah aber ich denke dass ich es mittlerweile schon 1 Jahr nicht mehr gelesen habe. Ich erinnere mich noch immer an jede Sekunde mit ihm, habe noch nichts vergessen. Aber es zu lesen tut mir zu weh.

Doch bin ich mir sicher dass ich in Zukunft sehr dankbar bin all diese Erinnerungen gesammelt zu haben, Joeps Puzzel ist komplett und es wir immer ein Puzzelteil sein dass in meinem Puzzel fehlt.

23.04.2017

Es war einmal, vor gar nicht all zu langer Zeit...

Da verliebte sich ein 18 jähriges deutsches Mädchen in einen 21 jährigen niederländischen Traummann.

Die nächsten 10 Jahre lebten sie wie in einem modernen Märchen, voller Liebe und Glück. Sie zogen aus Grenznähe nach Den Haag zum studieren, fanden gute Jobs, heirateten, wurden schwanger und kauften sich eine perfekte Wohnung für ihr perfektes kleines Leben.

Alles was sie wollten hatten sie, es gab keine Wünsche die wir uns nicht erfüllen konnten. Wir hatten kleine bescheidene Wünsche und das wahr wohl unser Schlüssel zum Glück... Wir brauchten nicht viel zum glücklich sein und alles was wir wollten konnten wir scheinbar ohne Probleme haben. Wir waren dankbar für all die kleinen Dinge im Leben und genossen jeden Moment unseres Lebens.

Unser ganz persönliches Märchen wurde gekrönt durch die Geburt von unserem perfekten Söhnchen. So perfekt dass wir oft sagen dass er doch ein Krönchen verdient. Aber wie in jedem Märchen gibt es nicht nur Liebe und Glück. Vor dem 'und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende' passiert immer etwas schrecklich und so war es auch bei uns
Vollkommen unerwartet starb Joep und aus dem Märchen wurde ein Albtraum aus dem wir nicht entfliehen konnten, aus dem wir nie wieder aufwachen werden.

Alles was früher wie von selbst ging ist heute ein Kampf. Und der einzige Grund warum wir es schaffen diesen Kampf zu kämpfen ist die Hoffnung dass auch unser Märchen irgendwann ein Happy End haben wird. Es wird niemals so sein wie wir uns das vorgestellt haben aber wir sind wohl auf einem guten Weg. Jeder sagt uns dass wir als Paar wirklich ganz besonders gut miteinander umgehen und genau wissen und fühlen was der andere braucht.

Wir meistern wohl auch diesen Albtraum so wie es sich für ein Märchen gehört. Und Joep hilft uns dabei unseren Weg zu finden. Erinnert uns an unsere Versprechen und beschenkt und mit seinen Zeichen wenn wir sie am meisten brauchen.

Bis zum happy ever after ist es noch ein langer Weg, unser Leben fühlt sich nicht mehr an wie im Märchen aber  vielleicht haben wir ja alles Pech unseres Lebens jetzt auf einmal gehabt und klappt in Zukunft einfach alles wieder, so wie früher.  Ein happy ever after mit einem Schatten der uns immer begleiten wird. Joep wird immer in unseren Herzen weiter leben.

20.04.2017

Der Vergleich mit einer Fehlgeburt im 1. Trimester

Schon oft habe ich es von anderen Mamas gehört und auch mir selbst ist es schon passiert. Ein Gespräch fängt gut an, jemand erkundigt sich danach wie es uns geht und wir haben die Chance über Joep zu erzählen. Und über Joep reden zu dürfen ist einfach immer gut, natürlich wollen wir das und lassen uns auf das Gespräch ein.

Aber ab und zu hört man dann von diesen selbsternannten "Leidensgenossen" dass sie ja auch eine Fehlgeburt hatten, im ersten Trimester wohlbemerkt. Und dann werde ich wohl still. Ja, ich verstehe dass das auch schlimm ist, ich hatte selbst im Dezember erst eine frühe Fehlgeburt und ich verstehe auch dass es schwieriger wird nachdem man schon einen Ultraschall hatte der okay aussah und der einem Hoffnung machte. Ein schlagendes Herz zu sehen, Leben zu sehen, sein Baby zu sehen, das lässt Träume entstehen.

Aber es ist nicht zu vergleichen. Ein: ich verstehe deine Gefühle ist nicht angemessen. Jemand mit einer Fehlgeburt kann sich einfach nicht vorstellen wie es ist sein Baby kurz nach, vor oder während der Geburt zu verlieren. Genauso wie ich es mir nicht vorstellen kann wie es wohl ist sein Kind zu verlieren dass ein paar Jahre alt war. Das ist einfach ganz anders. Ich sage immer: du kannst es dir nicht vorstellen und ich hoffe dass du es niemals können wirst. 

Ich versuche diese Menschen zu verstehen, es ist einfach das schlimmste im Leben was sie mitgemacht haben, und es kommt dem was uns passiert irgendwie Nahe. Eine Schwangerschaft ohne ein Baby im Arm, ohne Kind zuhause... Aber ich hatte eine Fehlgeburt und ich habe Joep verloren. Und diese Fehlgeburt war nur 5% so heftig wie der Verlust von Joep. Und der Weg zu dieser Schwangerschaft war auch wirklich kein leichter... Ich glaube dass eine Fehlgeburt immer schwerer wird je weiter man ist und dass ich meine Fehlgeburt nicht 1 zu 1 vergleichen kann verstehe ich auch.

Also versuche ich es zu verstehen, ich betone dass sie sicher Recht haben wenn sie mir sagen dass es nicht zu vergleichen ist, aber letztendlich tun sie es trotzdem. Ganz normales und menschliches Verhalten nehme ich an, aber wie kann denn jemand einen kleinen Knubbel der ein paar mm groß war mit meinem 56 cm und 4 kg Kerl vergleichen... Joep war komplett, genauso vollständig war meine Liebe, genauso leer wie komplett und perfekt alles war fühle ich mich ohne Joep. Leer... Ja auch nach einer Fehlgeburt fühlt ihr euch leer. Aber für wie lange? Wann seid ihr wieder arbeiten gegangen? Nach wenigen Tagen oder Wochen... Ja, du scheinst wirklich zu verstehen wie ich mich fühle.

Ich bin dankbar wenn Menschen versuchen sich ein zu leben, wenn sie versuchen mich zu verstehen, aber versteht bitte auch dass alles was ihr versteht nichts im Vergleich zu dem ist wie es mir geht. Ich könnt euch einleben, aber nur zu einem kleinen Teil. Dieses Gefühl wenn dein Kind stirbt, das ist nicht zu beschreiben. Diese Leere in der man sich auf befindet ist nicht zu beschreiben. Wenn plötzlich nichts mehr gut ist, wenn man nichts mehr kann... Wenn ein Butterbrot schmieren auf einmal eine Aufgabe wird die unmöglich erscheint, wenn duschen eine Tagesaufgabe wird. Das versteht ihr erst nachdem euer Kind in euren Armen gestorben ist. Ihr gefühlt habt wie der kleine Körper immer kälter wurde. 

Wenn man Monate lang kein bisschen Glück mehr fühlen kann... Das kann man sich nicht vorstellen wenn man es nicht erlebt hat.  

Ich fühle wirklich mit jedem mit der sein Kind verliert, es ist IMMER schrecklich. Aber verstehe ich den Schmerz von jemandem der eine Fehlgeburt hatte aber der nie sein totes Baby im Arm hielt? Nein, ich bilde mir nicht ein etwas zu verstehen. Versteht ihr mich wegen eurer Fehlgeburt? Nein, bitte bildet euch nicht ein etwas zu verstehen... Seid dankbar dass ihr nichts versteht. 




19.04.2017

Papi van Joepi is thuis

Gerade kommt Rene nach Hause und er singt während er die Treppe hoch läuft: "Papi van Joepi is thuis, Papi van Joepi is thuis, Papi van Joepi is thuis (Joepis Papa ist zuhause)"

Und mein Herz strömt über vor lauter Liebe die ich fühle! Rene singt und redet oft über/für/mit Joep und für uns ist das ganz normal. Wir haben auch früher schon immer irgendwelche Texte gesungen und anstatt dass es jetzt um irgend welchen Unsinn geht geht es halt um Joep. Sowas machen wir aber nur wenn wir alleine sind und um so schöner dass Rene sich freut zuhause zu sein und so stolz singt, das konnte er den ganzen Tag auf der Arbeit nicht.

Aber die Tatsache dass ich nicht die einzige bin die ständig irgendwas über Joep sagt, dass auch Rene so viel an ihn denkt und von ihm tagträumt. Ich stelle mir vor dass Joep da oben auf seiner Wolke sitzt und sich jedes Mal freut wenn ein kleines Lied für ihn angestimmt wird. Dann tanzt er wie nur kleine Kinder tanzen und wackelt fröhlich hin und her.

Joep ist noch immer derjenige den ich am aller aller meisten liebe aber ich merke dass jetzt wo wir wieder ein Kind bekommen auch meine Liebe zu Rene noch größer wird. Es ist verrückt aber die letzten 11 Jahre hatten wir immer wieder solche wichtigen Momente in denen unsere Liebe noch stärker wurde. Unsere Verlobung, die Hochzeit, Joeps Schwangerschaft, der Hauskauf, Joeps Geburt. Jedes Mal wurde die Liebe zu meinem fantastischen Mann noch stärker und das ist auch jetzt wieder so.

Wenn er dann auch noch nach Hause kommt und sofort stolz singt dass Joepis Papa wieder zu Hause ist... Dann weiss ich dass ich in all dem Schmerz doch auch noch so viel Glück habe. Ich habe wirklich die besten Männer der Welt! Einen hier zuhause, einen auf seiner Wolke und in unseren Herzen und einen in meinem Bauch.

Ich liebe euch! Ich werde euch immer lieben!

03.04.2017

Kindergeburtstag

Gestern ist die Tochter meiner besten Freundin 6 Jahre alt geworden und natürlich waren wir eingeladen. Letztes Jahr haben wir ihren Geburtstag zum ersten mal abgesagt, aber dieses Jahr wollte ich wieder gehen und Rene ging mit.

Ich hatte die Familie meiner Freundin nicht mehr gesehen seitdem ich schwanger war, es war ein Kindergeburtstag. Vorher dachte ich dass wir das locker schaffen, dass es kein Problem sein würde. Und doch weinte ich mich gestern Abend in den Schlaf weil alles einfach zu viel war.

Gestern war wirklich tolles Wetter in den Haag und wir sassen alle draußen auf einer grossen Terrasse. Die Kinder rannten rum und spielten, es war wirklich schön, ein perfekter Tag. Aber dann seh ich all die Kinder und wir mir wieder so bewusst dass eins fehlt. Joep hätte da jetzt auch rumlaufen sollen.

Rene machte Seifenblasen und die Kinder liefen hinterher um sie platzen zu lassen und so etwas zu sehen weckt in mir zwei Gefühle. Ich finde es so schön zu sehen wie gut Rene mit Kindern umgeht und dass alle Kinder immer gerne mit ihm spielen. Es tut so weh zu sehen dass er nur mit anderen Kindern spielen kann und nicht mit Joep, dass Joep nie Seifenblasen jagen wird...

Zwischen all den Mädchen war auch ein kleiner Junge, der kleine Bruder einer Freundin von Mila. Ein kleiner blonder Junge der probierte Hula hoop zu spielen und den Reifen einfach immer fallen ließ und sich dann wie verrückt bewegte während der Reifen auf dem Boden lag.

Ich lachte und sagte Joep hätte das sicher auch so gemacht. Aber dann nach 2 mal wieder aufgehört weil er frustriert gewesen wäre, genauso wie ich es machen würde. Rene sagte nein, Joep hätte den ganzen Tag weiter gemacht und nicht aufgegeben, genauso wie ich es gemacht hätte. Und es tat weh dass wir nie wissen werden was er gemacht hätte

Ein Kindergeburtstag ist eine Konfrontation die schwerer ist als ich dachte. Wir gingen nach etwas mehr als einer Stunde wieder nach Hause. Aus Vorsorge, solange es uns noch gut geht.

Abends whatsappte ich noch  mit meiner Freundin und sie sagte dass ihre Mutter meinte ich hätte mich verändert. Ich sei nicht mehr so spontan. Sie sagte dass ihr nicht auffällt dass ich anders bin aber ich weiss dass ihre Mama recht hat. Vor allen in Gruppen bin ich anders. Im persönlichen Kontakt kann ich manchmal fast die alte sein, für kurze Momente. Aber ich weiss dass ich anders bin, noch lange nicht bin wo ich war.

Trotzdem dachte ich hierdurch abends darüber nach woran sie das wohl gemerkt hat und ich wurde so traurig. Ich weinte, ich weinte um Joep und um mich, weil es mir einfach schon so lange schlecht geht und ich ein Leben lebe dass ich so nie wollte.

Bevor wir zum Kindergeburtstag gegangen sind waren wir noch bei Joep. Wir gehen jeden Sonntag zusammen zum Grab. Ich stellte mir vor wie ich bald mit Baby vor Joeps Babygrab stehen werde und es war alles so unrealistisch. Ich träumte davon wie ich Joep zeige dass Pietje jetzt ein paar Schritte laufen kann und ich weiß dass ich das auch wirklich tun werde. Aber etwas in mir kann sich einfach nicht vorstellen dass Schwanger sein bedeutet dass man ein Kind hat zuhause ist und lebt. Dass es bedeutet dass man ein Kind hat und glücklich ist anstatt zu trauern.