22.01.2018

Du bekommst nur wenig Besuch zu deinem Geburtstag

Der Januar ist schwer. Sehr schwer... Es zieht mich zu Joep, zu seinem Grab. Fast jeder Spaziergang beginnt mit einem Besuch am Grab.
Ich wollte etwas für Joep tun können und darum fing ich an seinen Geburtstag zu planen. Schon vor einem Jahr haben wir das so gemacht und ich wünsche mir eine Tradition. Letztes Jahr habe ich das auch deutlich kommuniziert. Es soll eine Gedenkfeier sein für Joep. Ich nenne es seine Geburtstagsfeier weil er doch vor 2 Jahren geboren wurde. Ausserdem soll die Feier für Joeps Bruder und seine Geschwister etwas schönes werden. Es soll eine kindgerechte Gedenkfeier werden damit alle Kinder diesen Tag im Jahr lieben. Joeps Geschwister und Cousinen und Cousins sollen zusammen spielen und den Tag lieben. So sollte es in Zukunft aussehen.
Joeps tot ist sehr traurig ja, aber sein Leben war auch unser größtes Geschenk und auch das wollen wir feiern. Wir wollen nicht nur traurig sein auf dieser GedenkGeburtstagsfeier, wir wollen auch glückliche Momente haben und Joep dabei ganz nah bei uns fühlen.
Um diese Tradition zu starten gab es Ballons und Kuchen. Aber es war natürlich kein richtiger Geburtstag. Anstatt ein Geburtstagslied zu singen gingen wir zu Joeps Grab. Trauerten wir gemeinsam und das tat mir gut. Sehr gut. Ich merkte wie sehr es mir hilft zu sehen nicht alleine mit meinem Schmerz zu sein. Zu sehen das jeder andere der da war Joep auch so vermisst. Einen Tag im Jahr die Trauer aller zu fühlen hat mich durch diese schwere Zeit getragen. All diese Liebe für Joep gebündelt auf einem Haufen tat mir so unfassbar gut und hat dafür gesorgt daß eine schwere Zeit schön wurde. Ich denke vor allem mit schönen Gefühlen an Joeps ersten Geburtstag und seine Feier.
Nachdem wir letztes Jahr alle gemeinsam vom Friedhof kamen war's dann aber vorbei mit dem Gedenken und das fand ich schlimm. Es war viel zu gesellig, über Joep wurde nicht mehr geredet. Wir haben seinen Kuchen gegessen und Kaffe getrunken und ich war nur noch Gastfrau. Es war so schade, denn es hatte so schön angefangen. Ich hatte also einen Plan, dieses Jahr soll es anders werden. Es soll mehr um Joepi gehen, sein Name soll öfter genannt werden. Jetzt haben wir ein Fotobuch auf dem Tisch liegen das ich gerne gucken will. Ich will auf Joep und die Liebe die er uns geschenkt hat prosten. Ich will das es ein glücklicher und trauriger Tag wird. Glücklich für all die Kinder aber auch für uns. Ich will neue Erinnerungen an Joep schaffen, schöne Erinnerungen. Mit unserer Familie.
Jetzt haben wir also eingeladen und die Reaktion traf uns wie der Schlag und riss uns den Boden unter den Füssen weg. Wir bekamen Absagen. Die Hälfte der geladenen Familie hat abgesagt. Manche ohne Grund, was ich als unfassbar respektlos empfunden habe und was mich sehr verletzt hat. Und andere Absagen waren nicht nur für dieses Jahr sondern auch für alle kommenden Jahre was ich als unfassbar ungerecht empfunden habe. Der Grund war das es ihnen zu schwer fällt. Den Geburtstag eines Toten feiert man nicht. Ich darf niemanden zwingen wie er trauert. Meine Einladung ist egoistisch.
Ich höre das alles aber ich bin so unheimlich verletzt das ich es kaum akzeptieren kann und will. Für uns ist es doch jeden Tag schwer. Wir fragen einen Tag im Jahr ob sie uns in unserer Trauer beistehen können, auf unsere Art und Weise. Und das ist zu viel verlangt. Sie sind immer für mich da höre ich sie sagen, aber das kann ich nicht verlangen. Es ist aber das einzige was ich Frage, das einzige was ich brauche.
Uns geht es so unfassbar schlecht. Das hat uns so mitgenommen das ich nicht weiss wie wir die Tage durchstehen. Wir können hiermit nicht umgehen. Müssen lernen mit solchen Enttäuschungen um zu gehen. Müssen lernen nichts erwarten zu dürfen. Wenn wir Erwartungen haben können wir enttäuscht werden. Ich bin so enttäuscht von der Welt und unseren Lieben, dem Leben.
Der Stärkere hilft dem Schwächeren. Ich dachte das das fair ist. Aber das Leben ist nicht fair, jetzt fühlt es sich an als sei unsere Trauer auch in der Familie ein Tabu und das fällt mir so schwer. Ich verstehe nicht was ich falsch mache. Wo ich mich verrannt habe in meiner Ansicht.
Ich trauere richtig, ich weiss es. Ich gedenke Joep in seiner Woche mit einer Feier. Warum ist das falsch nur weil ich es Geburtstagsfeier nenne anstatt Gedenkfeier? Bei einer Gedenkfeier geht man doch auch zum Grab und isst danach Kuchen und trinkt Kaffe? Oder wäre das auch zu schwer? Und was ist denn bitte zu schwer? Unser Leben ist schwer! Für uns ist diese Woche schwer. Wir brauchen doch Hilfe, muss ich jetzt Verständnis haben das es anderen zu schwer ist?
Ach geliebter Joep. Ich wollte das dein Geburtstag perfekt ist. Stattdessen wird er jetzt so anders als gedacht. Kleiner. Aber dafür kommen nur Menschen die da sein wollen. Die Mama und Papa stützen wollen und die mit uns um dich trauern wollen. Und all die anderen lieber Schatz, all die die das nicht wollen, die wollen wir an diesem Tag auch nicht da haben. Ich hätte mir nur gewünscht das man es für uns tun will... Mami hat zu viel erwartet und ist jetzt noch trauriger als vor der Einladung. Ich bin so tief gefallen wir ewig nicht mehr und anstatt nur an dich zu denken lecke ich meine Wunden und denke an meine Verletzungen und die Enttäuschung.
Ich werde dich immer lieben Joep. Ich werde deinen Geburtstag immer feiern. Mit weniger Kindern als gehofft. Es sollte eine Kinderfeier werden. Ein Tag im Jahr in dem alle Kinder aus der Familie zusammen spielen, den sie geniessen. Irgendwann wird es das Schatz. Dann machen Mama und Papa halt noch ein paar Geschwisterchen die dich feiern! Die es so kindliche leicht nehmen und sich freuen deinen Geburtstag zu feiern, deinen Kuchen zu essen.
Ich liebe dich mein schönster Joep!
Ich liebe dich über alles.

14.01.2018

Dein Grab im Januar

Lieber Schatz, liebster schönster Joep.

Die letzten Wochen zieht es mich so sehr zu dir, zu deinem Grab. Es ist schwer, der Winter ist schwer, ich Frage mich ob das wohl immer so sein wird. Lange habe ich darüber nachgedacht wie wir dein Grab hübscher machen können. Die Steine die wir vor 11 Monaten gelegt hatten langen so verteilt rum, deinem Grab fehlte die Umrandung.

Aber was für eine Umrandung machen wir? Seit Wochen beschäftigt mich diese Frage. Zuerst wollten wir was aus Stein aber ich weiss nicht ob das erlaubt ist. Ich weiss wohl das das sehr teuer ist und so richtig passend fand ich es auch nicht. Du als einziger eine dicke Stein Umrandung, das passt nicht zu deinem weichen Stein. Irgendwann habe ich dann ewig gegoogelt bis ich diese Rasenkante gefunden habe. Ich konnte mir vorstellen dass das nicht nur im Garten gut funktioniert sondern auch bei dir. Sie lag jetzt schon eine Zeit bei uns im Schrank. Nie hatten wir die Energie alles hübsch zu machen. All die Steine aufsammeln und sauber machen. Der Herbst hat seine Spuren hinterlassen, überall vertrocknete Blätter und Zweige, ich konnte es nie aufräumen weil ich deinen kleinen Bruder auf der Brust im Tragetuch bei mir hatte. Er mag es nicht wenn Mama sich bückt, dann hängt er so schief und wird wach.

Heute morgen habe ich zu Papa gesagt das wir sein Grab machen müssen, und mit wir meinte ich Papa. Papa hat sich wirklich viel Mühe gegeben und es ist so hübsch geworden lieber Joep. Perfekt ordentlich, perfekt hübsch. Genau wie du. Es dauerte lange, es war kalt aber wir haben alle Steine gewaschen (und mit wir meine ich Papa, Mama hat nur daneben gestanden) und die Rasenkante eingegraben. Es musste heute passieren Schatz, heute war nichts wichtiger als dein Grab, nicht Mal der leere Kühlschrank, auch nicht Papas Jacke in der Stadt abholen. Heute morgen wollte ich nur dass es bei dir ordentlich ist. Es muss doch perfekt sein für deinen Geburtstag. Bald wirst du schon 2 Schatz. Mein grosser Junge, an deinem Cousin und deiner Cousine sehe ich wie gross du jetzt wärst und was du alles schon konntest. Unvorstellbar was uns alles genommen wurde.

Pass weiter so gut auf uns auf kleiner Schatz!

Ich liebe dich so sehr, die nächsten Wochen bekommst du noch hübsche Blumen Schatz, dann ist für deinen Geburtstag alles perfekt vorbereitet.

Ich vermisse dich jeden Tag, jede Stunde, jede Minute und jede Sekunde.

In Liebe
Mami


04.01.2018

Deutsche Reaktion: oh - und dann wird nicht mehr über Joep geredet

Bei mir wurde als Baby nicht festgestellt das ich Hüftdysplasie habe was zur Folge hatte das ich mit 14 auf einmal nicht mehr laufen konnte. Max 10 Minuten. Mit 18 hatte ich dann alle Operationen hinter mir und habe ich nur noch ab und zu Probleme und Schmerzen.
Nach Joeps Geburt machte ich mir vor allem Sorgen ob auch er Hüftdysplasie hat. Es ist erblich. Meistens sind es allerdings die Mädchen, die Chance war klein. Aber doch soooo viel größer als der Herzfehler.
Ich werde nie vergessen wie der Arzt mich anschaute als ich danach fragte. Zu Recht! Er hatte gerade Joeps Leben gerettet und ich fragte ob seine Hüfte okay war. Ich verstand so kurz nach der Geburt nicht den Ernst der Lage.
Joep starb lange bevor jemand sich seine Hüfte angucken konnte. Letzte Woche wurde dann L.'s Hüfte kontrolliert und alles war bestens. Wieder etwas das wir von Joeps Bruder wissen aber niemals von Joep wissen werden. Mein Bauchgefühl sagt mir das auch Joep keine kaputte Hüfte hatte. Er war perfekt, genauso wie Joeps Bruder, nur dieser verdammte winzig kleine aber so fatale rechts links Fehler in seinem Herzen...
Zufällig war die Ärztin die Joeps Bruder untersuchte auch Deutsch und wir sprachen dann auch deutsch miteinander. Es gab mir - so gemein aber wahr - vertrauen das eine Deutsche nach Joeps Bruder sah. Deutsche machen keine Fehler... (Haha...) Etwas worüber ich vorher nicht nachgedacht habe (und hier geht ein Kompliment an mich selbst... So weit bin ich also schon das ich mir vorher nicht immer Sorgen mache was jemand wohl sagen könnte) war das natürlich gefragt wird ob es in der Familie vorkommt. Und wo wir beim Thema Familie sind fragt eine gute deutsche Ärztin natürlich auch ob ich noch mehr Kinder habe die evtl Hüftdysplasie haben.
Ja ich habe 2 Kinder. In dem Moment wusste ich das die Frage kommen würde und ich war vorbereitet. Sie kam ein paar Minuten später, gerade als ich dachte sie hat sie vergessen. Und hat das andere Kind Hüftdysplasie? - Er wurde nur 8 Tage alt. Das weiss ich leider nicht.
Ihr Blick sprach Bände. Sie - selbst Mutter von 4 Kindern (deutsche unter einander. Da ist man immer gleich ganz dicke) -guckte mich an, sagte ooh, Ihre Augen sagten so viel mehr. Ich sah ihren Schmerz. Aus ihrem Mund kam kein Wort mehr zu Joep. Irgendwie war das für mich aber okay. Es liess sie ja nicht kalt.
Und trotzdem blieb dieser Gedanke in meinem Kopf: das ist mir mit einem Holländer noch nicht passiert.  Holländer sagen zumindest etwas. Entschuldigen sich fast immer das sie mich so etwas gefragt haben. Aber ich werde nicht mit Schweigen konfrontiert.
So oft habe ich gehört das das Tabu in Deutschland noch viel größer ist als in den Niederlanden. Das Menschen verletztend reagieren. Nichts sagen ist immer schlimmer als etwas sagen. In diesem Fall sprachen ihre Augen 1000 Wörter, aber mehr als ein Oh kam nicht.
Es tut mir so leid für alle die sowas in Deutschland täglich erleben müssen. Auf der einen Seite bin ich froh in NL zu leben. Die Leute hier sind offen und das tut mir gut, passt zu mir. Auf der anderen Seite bin ich davon überzeugt daß Joep in Deutschland nicht gestorben wäre. Ich hätte ein grosses Screening gemacht, selbst bezahlt. Er würde leben.
Ich denke oft darüber nach wie es wohl wäre wenn ich jetzt in Deutschland leben würde, wie die Deutschen auf mich reagieren würden. Ich bin ein sehr offener Mensch und sage was ich denke und fühle. Ist das der Grund warum ich nur wenig schlechte Erfahrungen mit Menschen im Bezug auf meine Trauer und Joep gemacht habe? Oder liegt es doch am Land? Natürlich habe ich auch noch deutsche Freunde und Familie. Auch da merkte ich oft das sie keine Worte hatten, vor allem als Joep sterben musste. Sie waren dann alle auf der Beerdigung aber es scheint doch etwas deutsches zu sein. Dabei ist es so schrecklich wenn das passiert. Wenn jemand nicht reagierte dann dachte ich sofort Joep und wir interessieren ihn nicht Mal genug um sich die Mühe zu geben etwas zu sagen. Reden ist Silber, schweigen ist Gold. Ist das der Grund? Das ist nämlich absoluter Quatsch in diesem Fall.
Joep Joep Joep Joep Joep, ich will immer über Joep reden. Mein wunderschöner kleiner Joep. Was vermissen wir dich doch schrecklich. Gestern als wir am deinem Grab waren musste ich so weinen. Ich fühlte mich so leer, obwohl Joeps Bruder im Tragetuch auf meiner Brust schlief. Es war so ein Moment in dem ich vom Erdboden verschluckt hätte werden wollen. Nur dass mein Kopf jetzt weiß dass es wieder einen Grund gibt zu leben. Wir kämpfen jetzt für Joeps Bruder. Und doch sehne ich mich einerseits nach den Tag an dem ich dich wieder sehe. Ich weiß dass das noch lange dauert lieber Joep aber ich hoffe inständig dass es stimmt.  Das wir irgendwann wieder zusammen sind.