14.11.2016

Über Trauer redet man nicht

Als ich wusste dass Joep sterben muss wusste ich nicht was auf mich zu kommt. Trauer - was ist das? Ich habe vorher nie richtig getrauert, dass weiß ich heute. Die grösste Trauer die ich bis dato hatte war als meine Großeltern oder Haustiere starben. Alle sind so viel älter geworden als Joep und immer ging es mir nach ein paar Wochen wieder gut. Es war so viel einfacher um diesen Verlust in mein Leben zu verweben als den Verlust den ich jetzt habe. Ich konnte einfach weiter leben wie zuvor, es hatte kaum Einfluss auf mein Funktionieren. 

Ich kannte niemanden dessen Kind kurz nach der Geburt gestorben ist, ich kannte niemanden der mitgemacht hat was wir jetzt mitmachen und darum wusste ich auch überhaupt nicht was auf mich zukommt. Jetzt wo Joep tot ist kennt plötzlich jeder Leidensgenossen, jeder scheint jemanden zu kennen dessen Kind gestorben ist. Aber wie kann das? Warum höre ich jetzt erst davon? Warum wurde nie darüber geredet? Es scheint ein Tabu zu sein.

Darf man heutzutage keine Schwäche zeigen? Menschen finden es schwierig um mit der Trauer anderer konfrontiert zu werden. Ist die Angst anderer Elter zu gross dass ihre Kinder sterben könnten dass sie lieber nicht daran denken oder darüber reden? Der Tod meines Kindes ist nicht ansteckend. Denken Eltern deren Kinder gestorben sind dass sie nicht darüber reden dürfen weil es für die Aussenwelt zu schwierig ist? Haben sie Angst vor schmerzhaften Reaktionen? Oft reagieren Menschen so schlecht, verletzen uns ohne es zu ahnen, machen alles Falsch. Ich weiß nicht warum der Tod seines Kindes und die Trauer um sein Kind so ein Tabu sind. Es stört mich, ich hätte vorbereiteter sein können. Ob es mir geholfen hätte weiß ich nicht, aber ich hätte wissen können was mich ungefähr erwartet, dass ich nicht allein bin. Weil die Gesellschaft der Meinung ist dass man über seine verstorbenen Kinder nicht redet waren wir unvorbereitet und 100% sicher dass Joep nicht sterben würde, sowas passiert doch nicht uns. So etwas passiert im Film oder Bekannten von Bekannten. Jetzt bin ich so eine Bekannte... Jetzt hat mein Leben das potential ein Film zu werden.

Ich denke dass jede trauernde Mutter die ich bis jetzt gesprochen habe immer die gleichen Fragen hatte: 'Bin ich normal? Ist dass was ich fühle normal? Wie machen andere es? Gibt es noch Menschen die mich verstehen?' Der Grund warum wir alle nicht wissen ob wir normal sind ist weil wir niemanden kannten der das auch erlebt hat. Oft bekommt man doch das Gefühl vermittelt dass Menschen denken dass es alles zu lange dauert, dass wir uns zu sehr hängen lassen. Nur andere Eltern die ihr Kind vermissen verstehen dass es nicht so ist und wissen wie hart wir jeden Tag kämpfen. Nur sie verstehen was Trauer auch körperlich mit einem macht. 

Wir sind nicht depressief aber damit kann man es doch am Besten vergleichen. Früher war Depressivität ein Tabu, heute wird darüber ganz normal gesprochen. 

Ich kannte so viele Menschen die mit Depressivität zu kämpfen hatte aber keine Eltern die ihr Kind verloren haben. Irgendwie haben wir es doch geschafft um offen über Depressivität zu reden, ich hoffe irgendwann werden wir auch offen über den Verlust unseres Kindes reden können. Ich werde zumindest immer darüber reden wenn mir danach ist. Für mich ist es kein Tabu, für mich ist es nicht zu privat. Ich denke immer: 'wenn ich XY erkläre wie ich mich fühle, wie es mir geht, wie schwer die Trauer ist und was ich von XY erwarte, dann kann XY das nächste mal wenn er mit jemanden redet der auch so etwas erleben musste zumindest richtig reagieren.' Außerdem merke ich dass Menschen in meiner Umgebung dankbar sind dass ich so offen darüber rede, es macht es für sie auch einfacher, ich bin zugänglicher. Auch dieser Blog macht es für viele einfacher, sie verstehen wie es mir geht. Ich musste zum Glück nicht oft erleben dass Menschen mich meiden, das habe ich mir selbst zu verdanken. 

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