03.07.2017

Urlaub - Abstand tut weh

Ich  besuche Joeps Grab normalerweise ein bis zwei mal die Woche. Die Tatsache dass der Friedhof so nah ist, Joep immer so nah ist tut uns gut. Es dauert nur wenige Minuten und dann stehen wir vor seinem Grab. Wenn ich im Bett liege weiß es dass er nur ein paar hundert Meter Luftlinie von mir weg ist. Joep ist immer bei uns, aber auch sein kleiner Körper ist immer ganz nah. 

Seit Joep gestorben ist hatten Rene und ich eigentlich keinen Urlaub, waren nie länger als eine Woche nicht zuhause. Weihnachten waren wir auf Teneriffa aber auch das war nur eine Woche. Es war eine Flucht und kein Urlaub. Wir waren/sind erschöpft und oft am Ende unserer Kräfte. Es erschien mir so logisch dass das durch die Arbeit kommt, wir brauchten einfach mal Urlaub um unsere Batterien wieder auf zu laden. Richtig? Teilweise ja, teilweise aber auch falsch.

Wir sind mit dem Auto nach Slowenien gefahren, zum ersten Mal waren wir in Slowenien, zum zweiten mal fuhren wir mit dem Auto in Urlaub. Als ich gerade von Joep schwanger war waren wir in Südfrankreich und in der Schweiz. Diesmal also Slowenien. Weil es 14 Stunden Autofahrt sind ohne Pausen und ohne Stau haben wir unterwegs jeweils eine Nacht in München geschlafen.

Die Fahrten liefen wirklich gut, kurz vor den Sommerferien kamen wir relativ gut durch und hatten wenig Stau. Als wir die Grenze zu Slowenien überquerten brach es über mich hinein. Alles lief bis hier so gut aber auf einmal lagen so viele KM zwischen uns und Joep, vier Grenzen lagen zwischen uns und gefühlt waren das zu viele Grenzen, zu viel Abstand. Ich war so traurig, am liebsten hätte ich mich auf der Stelle wieder umgedreht und wäre nach Hause gefahren. Aber wir waren fast da, wir wussten wir würden uns schon dran gewöhnen, dass der Urlaub okay werden würde. Ich sah anfangs die Schöhnheit des Landes und der Stadt gar nicht, wir liefen am ersten Abend durch Izola auf der Suche nach einem Restaurant und ich dachte nur: Wo um alles in der Welt bin ich hier gelandet? Ein paar Tage später erkannte ich den Charme und die Schönheit um mich rum. Früher liebte ich nicht touristische Urlaube und neue Kulturen. Diesmal war das anders, wir hatten ein paar wirklich schöne Momente aber fühlten uns auch oft schlecht. 

Endlich hatten Rene und ich Zeit für uns, konnten wir uns den ganzen Tag nur mit uns, Joep und Joeps Bruder beschäftigen, das war wirklich toll. Mein Highlight des Urlaubs war wirklich alle die Zeit mir Rene. Ich erkannte wieder dass Rene im Leben der einzige ist den ich wirklich brauche, außer Joep vermisste ich im Urlaub niemanden. Die Hitze machte mir zu schaffen, mittlerweile hochschwanger und immer 30-35 Grad waren körperlich schwer. Wir ruhten uns viel aus und machten weniger Ausfüge als wir normalerweise gemacht hätten. Aber auch das war okay, wir hatten vorher bewusst keine Ausflüge geplant weil wir nicht wussten wie es uns gehen würde.

Die erste Woche unseres Urlaubs war wirklich okay bis gut. Rene als echter Fischliebhaber war was das Essen betrifft zumindest genau am richtig Ort. Die Lage unserer Wohnung war wirklich perfekt, die Wohnung wirklich super für eine Ferienwohnung. Aber die letzten Tage waren dann einfach zu viel. Es fing mit unserem Hochzeitstag an. Wir hatten ihn beide komplett vergessen aber morgens gratulierte mir meine Schwester zum 3. Hochzeitstag. BAM, das schlug ein wie eine Bombe. Wie konnten wir denn bitte unseren Hochzeitstag vergessen? Die Antwort war uns beiden sofort klar: Weil in unseren Köpfen nur Joep wichtig ist, weil wir nur an Joep denken und an sonst nichts... Rene fiel es schwerer als mir. Unser Hochzeitstag ohne Joep war zu viel... Wir hatten einen Ausflug geplant und fuhren etwas verspätet doch noch. Der Ausflug war prima aber unsere Stimmung war den ganzen Tag nicht gut. Letztendlich waren wir froh als wir wieder in der Wohnung waren, weg von all den Menschen die ihren Urlaub genossen.

Die Tage hiernach wurden nicht mehr wirklich besser. Das Bedürfnis Joeps Grab zu besuchen war da und ging nicht mehr weg. Zum ersten konnten wir nicht zu ihm obwohl wir es so gerne wollten und so sehr brauchten. Ein paar mal meinten wir dass wir am liebsten JETZT sofort nach Hause fahren würden aber wir taten es nicht. Aufgeben war keine Option, es wäre zu schade gewesen, er hätte sich angefühlt wie versagen. Dazu kam dass die letzten Tage regnerisch waren, das Wetter passte gut zu unserer Stimmung.

Wir liefen oft durch Slowenien auf der Suche nach einer Kleinigkeit für Joeps Grab, Rene hatte die Idee dass wir ihm etwas kaufen könnten und es schien mir eine schönte neue Tradition. Aus jedem Urlaub ein keine Geschenk für Joep mitnehmen. Wir kauften einen von Hand bemalten Stein. Wir hatten ein Foto von uns mit Joep dabei, außerdem seine Hand und Fußabdrücke, das Kissen mit seinem Foto und seine kleine Decke. Das alles stand auf dem Nachttisch und das Kissen lag im Bett. So war Joep immer bei uns. 

Das Fazit des Urlaubs: Ja Urlaub kann uns gut tun, nach ein paar Tagen waren wir wirklich entspannter, ging es uns besser als vorher. Renes Rücken tat kaum noch weh, ich schlief tiefer und war ausgeruhter. Aber zwei Wochen war einfach noch zu viel für uns. Wären wir 1,5 Wochen in Urlaub gefahren würde ich jetzt etwas ganz anderes schreiben, ein vollkommen positiver Urlaubsbericht.

Auch der Weg nach Hause lief wieder gut. Zwischen Slowenien und München standen wir zwar viel im Stau aber von München bis Den Haag lief es richtig gut. Wir fuhren um halb sieben in München los und frühstückten irgendwo auf einem Rasthof. Als ich mir dort die Hände wusch lief vor mir im Spiegel eine Reklame, ein kleines Mädchen fragte: "Papa, kannst du mich vom Flugzeug aus sehen wenn ich im Himmel bin?" BAM, wieder schlug es ein wie eine Bombe. Die Toilette war überfüllt aber ich starrte auf die Reklame, Tränen in den Augen... Kinder sterben, hallo Wirklichkeit, hallo meine Welt, ich weiß dass du immer da bist aber manchmal kannst du dich so brutal aufdrängen. Rene merkte mir sofort an dass etwas passiert war und er fragte was los sei. Auch ihn traf die Reklame mitten in Herz und es tat so weh, es riss so viele Wunden auf aber wir mussten weiter fahren, wir wollten weiter, wir wollten nach Hause.

Als wir Samstags um 16 Uhr endlich in Den Haag ankamen ging es uns sofort besser. Noch nie hat Rene sofort angefangen die Koffer aus zu packen aber diesmal war er viel schneller als ich. Am liebsten wollten wir alles was darauf hindeutet dass wir in Urlaub waren aus der Sicht haben, Zuhause zu sein, nah bei Joep zu sein, das fühlt sich so richtig an! Hier gehören wir hin! Fernweh haben wir wohl erstmal nicht mehr, dafür haben wir jetzt Heimweh. 

Die nächsten Urlaube werden wir es nochmal versuchen, wir werden schon lernen was für Urlaube uns gut tun und welche nicht.

Die letzten schweren Tage des Urlaubes stecken uns noch in den Knochen, wir sind zuhause aber total erschöpft. Das ist schade aber okay. Morgen müssen wir wieder arbeiten, dann wird jeder fragen: Und? Hattet ihr einen schönen Urlaub? - Oh man, könnte ich diese Frage nur umgehen... Ich hab echt keine Lust ständig an den Urlaub zu denken und dann Leuten die doch nichts verstehen erklären zu müssen dass es nur okay war und das obwohl Slowenien doch ein wunderschönes Land ist... 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen