29.01.2017

Schwangere in meiner Umgebung

Seitdem Joep tot ist wollte ich eigentlich vor allem eins nicht mehr sehen: Schwangere!
Sie erinnern mich so sehr an meine glücklichste Zeit und es tut mir so weh sie zu sehen. Diese glücklichen Gesichter, diese Naivität die ich auch hatte. So etwas passiert mir doch nicht.

Jeder dicke Bauch den ich sehe versetzt mir einen Stich ins Herz, erinnert mich an alles was ich hatte und jetzt so schmerzlich vermisse, erinnert mich an meine leeren Hände. Jedes mal wenn mir wieder jemand erzählt dass sie/er Mama/Papa wird dann weiß ich nicht wie ich reagieren soll. Ich kann mich nicht freuen, denn in diesem Moment werde ich an meinem schlimmsten Schmerz erinnert. In dem Moment weiß ich, dass diese Menschen bald haben werden, was ich doch schon lange haben sollte.

Ständig laufe ich mit dieser Angst rum, was wenn XY schwanger ist? Ich schaue ganz genau hin, raucht diese Person noch? Trinkt diese Person noch? Jemand zieht um, grössere Wohnung. Es wird Hals über Kopf geheiratet. Dann ist das erste was ich denke: "Was wenn sie schwanger ist?" Und ja, irgendwie sind all die Leute dann auch tatsächlich schwanger. Sobald ich dieses Vorgefühl habe, dauert es nicht mehr lange und ich bekomme diese "glückliche Neuigkeit" präsentiert.

Seit meiner Fehlgeburt habe ich schon von 5 Leuten gehört dass sie schwanger sind. Seit Joep gestorben ist noch von viel mehr... Es ist natürlich mein Alter, Menschen in meinem Umfeld sind ungefähr gleich alt und haben die gleichen Pläne wie wir. Ich kann es niemandem verbieten, aber in mir ist dieses Gefühl gegen das ich nichts tun kann: 'Das nächste Kind sollte meins sein, ich verdiene es am aller meisten.'

Immer bin ich so erleichtert wenn ich von jemandem höre, dass ich mir um sie keine Gedanken machen muss, dass sie es noch nicht probieren. Wieder eine Sorge weniger. Manchmal frage ich Menschen: Bitte sag mir Bescheid sobald du es versuchst, damit ich mich darauf einstellen kann, damit es mich nicht überrascht.

Ich hoffe dass das irgendwann leichter wird, dass ich mich wohl freuen kann wenn mir jemand erzählt, dass sie ein Kind erwarten, dass ich einem dicken Bauch nicht mehr aus dem Weg gehen muss weil er mir zu weh tut und schlecht für mich ist. Ich gehe allen Schwangeren aus dem Weg, ich kann es einfach nicht, ich will es nicht. Ich will nicht daran denken, dass sie bekommen was ich so vermisse. Es tut einfach zu weh.

Dazu kommt noch, dass ich von vielen Schwangeren denke, dass sie es nicht gut genug machen, dass sie es nicht genug zu schätzen wissen. Dann werde ich böse: Warum freust du dich nicht genug? Verstehst du nicht was für ein Wunder das ist? Warum gehst du Risikos ein? Warum weißt du nicht, dass du keine Salami essen darfst? Warum färbst du dir die Haare? Solltest du nicht weniger arbeiten? Ist das nicht zu schwer zum tragen? Seid ihr nicht gerade erst ein paar Monate zusammen? 

Keine Schwangere kann es richtig machen, dass weiß ich. Sie können mir ja auch nicht unter die Nase reiben wie glücklich sie darüber sind, das wäre auch schrecklich. Aber es nicht zu zeigen hilft mir auch nicht. Ich habe mir während Joeps Schwangerschaft auch 1 mal Highlights färben lassen. Ich wusste anfangs auch nicht, dass ich keine Salami essen darf. Ich habe bis zum Schluss mehr als 4 kg getragen. Aber mit meinem Wissen von jetzt, würde ich die Risikos nicht mehr eingehen. Ich weiß genau, dass ich nicht fair bin. Es passt auch gar nicht zu dem wie ich früher war, aber mein Kopf kann meine Gefühle nicht besiegen. Ich sage die richtigen Dinge, versuche meinen Schmerz nicht zu deutlich zu zeigen, aber irgendwann geht es nicht mehr und dann sage ich es wohl, dass ich Abstand brauche und hoffe, dass ich niemanden verletzte. Natürlich weiß ich dass niemand schwanger geworden ist um mich zu verletzten. Um so mehr schätze ich die Menschen, die es mir früh erzählen, am liebsten noch bevor ich es ahnte. Es via via zu hören ist richtig scheiße, aber der Vorteil hieran ist, dass ich diesen Menschen jetzt einfach ganz aus dem Weg gehen kann und tun kann, als ob es nicht so ist. Wenn sie zu Feige waren es mir zu erzählen und ich es ihnen nicht Wert bin es mir ins Gesicht zu sagen, dann muss ich mich auch nicht schämen, wenn ich nicht an sie denke.

Verrückter Weise gibt es dann auch die Menschen für die ich mich wohl freuen kann, denen ich es sehr schnell gönnen kann. Es sind die Menschen die mir nicht das Gefühl geben, dass Kinder kriegen selbstverständlich ist und die verstehen wie besonders es ist schwanger sein zu dürfen. Es sind die Menschen von denen ich sofort denke: Ihr werdet so gute Eltern, ihr würdet alles für dieses Kind tun. Aber es sind die wenigsten die dieses Gefühl in mir verursachen.

Jedes Mal wenn ich höre, dass es ein Mädchen wird bin ich so erleichtert! "Wenigstens kein Junge" denke ich dann. Der nächste Junge, vielleicht ist das ja meiner...
Ich hoffe, dass es einfacher wird wenn ich selbst wieder einen dicken Bauch habe. Ich hoffe, dass ich mich dann mit anderen Schwangeren treffen kann und es genießen kann sie in meiner Umgebung zu haben. Wenn ich erstmal wieder ein Kind im Arm halte und es hoffentlich gesund mit nach Hause nehme, dann hoffe ich, dass mir die dicken Bäuche nicht mehr so weh tun werden. Die Zukunft wird es hoffentlich zeigen...

26.01.2017

Erinnerungsstofftier - Eine Katze aus Joeps Jäckchen



Der hübsche Lars mit Mama und Papa
Vor Monaten habe ich die Mama von Lars kennen gelernt. Lars ist genau wie Joep nur eine Woche alt geworden. Bei der Geburt hatte er einen schweren Sauerstoffmangel erlitten, der sein Gehirn auf die schlimmste Art und Weise beschädigt hat. Genau wie bei Joep wurde entschieden, dass die Behandlung beendet wird und Lars nicht leben darf. Er hätte niemals glücklich werden können. Lars war ein wunderschöner Junge und seine Eltern vermissen ihn schrecklich.

Irgendwann hatte Margriet, die Mama von Lars, die Idee, aus seiner Kleidung ein Stofftier zu machen, um so mit seinen Sachen kuscheln zu können. Ein Stofftier lässt sich einfach viel besser kuscheln als ein Strampler. Zusammen mit ihrer Mama macht sie jetzt auch Stofftiere für andere Mamas, um ihnen so ein wenig Trost spenden zu können.

Auch für mich hat sie ein Stofftier gemacht: eine Katze, die gleichzeitig eine Spieluhr ist und 'you are my sunshine' spielt wenn man am Schwanz zieht. Irgendwann wird diese Katze im Bett von Joeps Geschwisterchen sitzen und dann wird 'Joep' für seine Geschwisterchen 'singen'. Und bis es soweit ist, wird sie bei mir im Schlafzimmer leben. Ich habe die Katze noch nicht abgeholt, ich möchte sie gerne persönlich abholen, darum kann ich leider noch kein Foto posten, aber ich habe ein Video gesehen und ich bin wirklich total begeistert!

Ich habe 2 Jäckchen ausgewählt die Joep leider nie anhatte. Zufällig hatte ich die Jacke die Joep anhatte auch noch eine Nummer grösser und in einer anderen Farbe. Diese Jacke habe ich ausgewählt für diese Spieluhr. Die zweite Jacke passte vom Material perfekt dazu und ich wollte gern ein grosses Stofftier, darum habe ich mich für diese Kombination entschieden. Die Jacke, die Joep anhatte und die man auch auf seinen Fotos sieht, konnte ich nicht verarbeiten lassen. Sie ist einfach noch viel zu wichtig für mich. Aber ich habe so viel Kleidung für ihn gekauft und in jedem Stück steckt so viel Liebe, dass es wirklich nicht einfach war mich zu entscheiden. Das Kleidungsstück durfte nicht zu besonders, aber trotzdem besonders sein.

Margriet hat seit diesem Monat einen Onlineshop, den sie nach Lars benannt hat: LoveLars. Hier kann man aus verschiedenen Erinnerungsstofftieren (herinneringsknuffel) wählen und dann die Kleidung, aus der man das Stofftier machen lassen will, mit der Post zu ihr schicken. Zusammen mit ihrer Mama wird dann mit viel Respekt und Liebe die Kleidung in ein Erinnerungsstofftier verwandelt und mit der Post zurück nach Hause geschickt. Hier seht ihr die Katze die aus Joeps Jacken gemacht wurde: https://www.lovelars.nl/a-47144105/herinneringsknuffels/herinneringsknuffel-groot-met-muziekdoosje/

Ich finde diese Idee so toll, dass ich sie auch hier teilen möchte. Vielleicht liest dies ja irgendjemand hier, für den es genau das Richtige ist und der gerne so eine Erinnerung braucht/möchte. Margriet meinte, dass sie auch Aufträge aus Deutschland annehmen würde: Hauptsache sie kann anderen Mamas, Papas und Geschwistern etwas Trost bieten.

Margriet, wat ben je toch een topper! Ik ben oprecht trots op je en heel blij en dankbaar dat ik je mocht leren kennen. Je bent een inspiratie en steun voor mij en hopelijk veel andere sterrenmamas. Ik weet zeker dat Lars weer lekker aan het opscheppen is op zijn wolkje en heel erg trots op je is.

Sternenmama

Lange wusste ich nicht wie man mich eigentlich nennt. Verwaiste Mutter? Aber was wenn ich wieder Kinder habe, halbverwaiste Mama? Irgendwie ist es nicht richtig. Eine Zeit lang habe ich mich selbst auch trauernde Mama genannt, irgendwie passte das für eine Zeit lang, aber mittlerweile ist meine Trauer abgeschwächt. Ich bin noch sehr traurig, aber die tiefe Trauer in der ich steckte hat sich verändert und ich kann mich doch nicht ewig trauernde Mama nennen? Irgendwann werde ich mit Freude und Liebe an Joep denken und irgendwann wird die Traurigkeit weniger werden. Es gibt kein richtiges Wort für mich und das fand ich lange schwierig.

Wir erkläre ich es anderen Menschen? Ich sage immer mein Sohn ist gestorben. Worte die unfassbar weh tun, aber ich habe mich daran gewöhnt. Wäre mein Mann gestorben, hätte ich das nicht so sagen müssen. Ich hätte die Wahl gehabt und auch sagen können, dass ich Witwe bin. Wären meine Eltern gestorben, wäre ich eine Waise. Aber wenn dein Kind stirbt, dann gibt es kein richtiges Wort und erstrecht keins, dass anerkannt und bekannt ist. Und das fühlt sich falsch an - Warum gibt es für uns kein Wort? Weil es zu schlimm ist? Weil es nicht schlimm genug ist? Warum hat sich nie jemand die Mühe gemacht ein Wort zu etablieren für Eltern die ihr Kind/ihre Kinder verloren haben.

Und diese Woche habe ich dann ein Wort gefunden, dass wohl zu mir passt: Sternenmama/Sterneneltern. Ich habe es mir selbst ausgedacht und dann gedacht, dass könnte was sein. Also habe ich es gegoogelt und scheinbar war ich nicht die Erste mit diesem Gedanken. Es gibt mehr Mamas, die sich Sternenmama nennen. Ich denke immer an Joep wenn ich Sterne sehe und darum passt es so gut. Außerdem habe ich den Begriff Sternenkind schon oft gehört, dann ist es doch nur logisch, dass die Mama eines Sternenkindes eine Sternenmama ist.

Ich bin also eine Sternenmama! Mein Leben als Sternenmama muss ich noch lernen zu meistern, aber es klappt immer besser. 

22.01.2017

Hausarzt und Psychologen

Eine der größten Enttäuschungen nach Joeps Tod war wohl unser Hausarzt. Während der Schwangerschaft sind wir umgezogen und wir hatten auch einen neuen Hausarzt, den wir noch nicht gut kannten.

Sobald ich wusste das Joep sterben würde, rief ich ihn an, weil ich einen Termin mit einem Psychologen wollte. Ich wollte und brauchte Hilfe, dass wusste ich, ich war mir ganz sicher. Allein konnte und wollte ich das nicht und ich wollte alle Hilfe annehmen und suchen die ich kriegen konnte.

Aber schon am Telefon sagte er mir, dass ich keinen Psychologen bräuchte. Ich musste ihn überzeugen und es fühlte sich nicht richtig an. Warum wollte er mir nicht einfach helfen? Gerade er war doch dafür zuständig mir das Leben ein wenig leichter zu machen - wenn er es konnte. Joep war noch bei mir, lebte noch, also hatte ich die Kraft mich durchzusetzen. Noch war ich stark und noch konnte ich alles!

Kurz nachdem Joep gestorben ist, ist er bei uns zuhause vorbei gekommen. Das hatte er selbst vorgeschlagen und wir dachten, dass das eine gute Idee sei. Aber als er dann da war, wurde das Gefühl das wir bei ihm hatten nur noch schlechter. Joep war gerade ein paar Tage beerdigt und er sagte zu mir: "Am besten kannst du sofort wieder schwanger werden".

Rene und ich dachten wir hören nicht richtig. Was um alles in der Welt sagt dieser Mann, der auf  meiner Couch sitzt, gerade? Rene und ich hatten einen starken Kinderwunsch. Sofort nach Joeps Geburt dachte ich, wie schön es wäre das nächste Kind sofort mit nach Hause zu nehmen. Wir wollten wieder Kinder, ja. Aber er tatso, als ob wir Joep so mir nichts dir nichts ersetzen konnten und wir wussten beide, dass das einfach falsch ist. Wir fragten ihn, ob das denn nicht schlecht fürs Kind sei? Sofort wieder schwanger zu werden? In unserer tiefen Trauer? So kurz nach einer Geburt? Nein nein, das sei das beste für alle. Wir wussten sofort, dass es Unsinn ist und nicht stimmte. Wir wussten sofort, dass wir einen neuen Hausarzt brauchten, aber die Energie einen zu suchen hatten wir nicht.

Ein paar Tage später sagte meine Hebamme mir, als wir hiervon erzählten, dass sie immer allen rät ein halbes Jahr zu warten, weil der Körper erst dann nach der Geburt wieder alle Vitaminvorräte auffüllen muss und erst dann einem Baby wieder alles geben kann was es braucht. Außerdem sei Trauer schlecht fürs Kind, denn Trauer ist für den Körper Stress, auch wenn es sich nicht so anfühlt.

Ich musste den Hausarzt fast zwingen mir einen Termin mit der Psychologin zu machen, aber er tat es. Leider war auch der Termin mit der Psychologin, die mit ihm zusammen arbeitet, sehr enttäuschend. Sie war jung und hatte keine Erfahrung mit unserer Situation, das war uns ganz schnell klar. Sie arbeitete eine Liste ab, die sie wahrscheinlich immer abarbeitet. Trinken wir? Nehmen wir Drogen? Wir fühlten uns nicht am richtigen Ort, nicht gut aufgehoben. Sie stellte Fragen die uns nicht helfen konnten, im Gegenzug konnte sie aber keine meiner Fragen beantworten, sagte mir immer nur, dass das bei jedem anders sei und dass sie es auch nicht weiß. Wir vereinbarten einen 2. Termin, ich wollte ihr noch eine Chance geben, aber eigentlich wusste ich sofort, dass das nichts wird. Ich befand mich jedoch in einem Ausnahmezustand und vertraute mir selbst nicht, also wollte ich es noch einmal probieren. Das nächste Gespräch war viel besser, sie hatte sich scheinbar informiert, aber für uns war der Zug abgefahren. Ich wollte nicht mehr zu ihr und wir machten keinen neuen Termin.

Irgendwann zwischen diesen beiden Terminen bei der Psychologin, meldete sich eine Kollegin mit der ich immer einen guten Kontakt hatte und wollte wissen wie es uns jetzt ginge. Sie erzählte von einer Freundin ihrer Mutter, die in dem Krankenhaus arbeitete in dem Joep geboren wurde und deren Job es ist, Mamas wie mich zu betreuen. Sie ist eine psychiatrische Krankenschwester. Ich ging zu meinem Hausarzt, weil ich eine Überweisung haben wollte, aber er stellte mir keine aus. Er sagte ich sollte selbst im Krankenhaus anrufen und wenn sie eine Überweisung bräuchten, dann könnte ich mich nochmal melden. Also rief ich im Krankenhaus an, ich bekam eine Dame die an der Rezeption arbeitet. Ich sagte ihr dass ich einen Termin bei dieser Frau wolle und sie fragte warum. Also erzählte ich weinend dass mein Sohn vor 2 Wochen gestorben ist und ich Hilfe brauche und ich ihren Namen von einer Freundin bekommen habe und dass mein Hausarzt mir keine Überweisung schreiben wollte und ich nicht wusste was ich tun soll. Sie regelte alles für mich und am nächsten Tag hatte ich einen Termin. Aber da ich keine Überweisung hatte war das nur eine Ausnahme. Ich verstand das System nicht, aber ich durfte nur 3 mal mit ihr sprechen, obwohl ich ihre Hilfe wirklich nötig gehabt hätte. Leider hatte ich nicht die Energie um mich durchzusetzen oder etwas zu regeln. Ich akzeptierte es so wie es war und dachte mir: Dann nicht, wenn du mir nicht helfen willst, brauche ich dich auch nicht. Ironischerweise darf ich jetzt, wo ich nicht schwanger werden kann, so viele Termine bei ihr machen wie ich will. Jetzt brauche ich sie wirklich nicht mehr.

Ich nahm es meinem Hausarzt sehr übel, dass er sich weigerte für mich einen Termin zu machen. Er hätte mir mit einem Anruf viel ersparen können. Ich fand es unheimlich schwer selbst anzurufen und alles zu regeln. Ich finde, dass es seine Aufgabe als Hausarzt gewesen wäre mir mein Leben etwas einfacher zu machen, wenn er es doch so einfach konnte, stattdessen machte er es mir schwerer.

Meine Hebamme sagte ein paar mal, dass ich mir eine Trauerpsychologin suchen solle, aber ich hatte keine Energie mehr. Überleben kostete all meine Energie und etwas so komplexes wie eine Psychologin zu finden die auf Trauer spezialisiert ist, schaffte ich einfach nicht. Außerdem dachte ich, ich bräuchte sie nicht, wo mich doch bist jetzt jeder enttäuscht hatte. Ich würde es auch alleine schaffen sagte ich mir. Sie schlug es mir immer wieder vor bis sie mir eine Adresse aufschrieb, die sie rausgesucht hatte und meinte ich hätte nichts zu verlieren. Diesmal tat ich was sie sagte und nahm Kontakt auf mit der Frau. Ich denke die Tatsache, dass ich ihr eine Mail schreiben konnte machte es für mich viel einfacher den Kontakt zu suchen, anrufen war einfach nicht drin. Leider war sie gar keinen Trauerpsychologin für Erwachsene sondern eine für Kinder. Aber sie hat mir schließlich jemanden in der Nähe gesucht und zu ihr gehe ich heute noch in regelmäßigen Abständen. Anfangs ging ich alle 2 - 3 Wochen, mittlerweile geht es mir besser und ich gehe nur noch alle 2-3 Monate. Wirklich helfen im Sinne von einer Therapie konnte sie mir nicht (Ich habe auch nie darum gebeten und finde auch, dass das nicht nötig ist. Ich bin nicht krank, Trauer is keine Krankheit die therapiert werden muss), aber mir ihr zu reden tat mir immer gut. Mit ihr konnte ich Situationen besprechen, die mir im Alltag schwer fielen und sie dachte mit, bestätigte oft meine Gedanken. Von ihr konnte ich annehmen wenn sie sagte, dass ich es wirklich alles gut mache, dass meine Trauer gesund ist und ich mir keine Sorgen machen muss. Das konnte ich sonst von niemandem, was wissen denn meine Eltern, Schwestern, Schwiegerfamilie, Freunde, Kollegen oder die Nachbarn? Die haben nie ihr Kind nach 8 traumatischen Tagen verloren. Meiner Trauerpsychologin glaubte ich und das gab mir eine Art innere Ruhe, die Gewissheit, dass ich es wirklich gut mache, diese Bestätigung hatte ich lange gesucht aber vorher nicht gefunden.

Ich suchte mir einen neuen Hausarzt, nach wenigen Wochen schon. Ich nahm den Hausarzt, bei dem ich mich via Email anmelden konnte. Anrufen und erklären was los war konnte ich einfach noch nicht. Ich bekam seine Adresse von der Psychologin, zu der ich nur 2 mal gegangen bin. Mein neuer Hausarzt war sehr mitfühlend und wir hatten anfangs fast jede Woche einen Termin um zu reden was uns/mir gut tat. Mittlerweile ist er in Rente gegangen und habe ich wieder eine neue Hausärztin. Sie scheint ganz okay zu sein, aber um ehrlich zu sein, kenne ich sie kaum. Ich war nur bei ihr wegen meines Zyklusses und habe eigentlich sofort verlangt, dass sie mir eine Überweisung ins Krankenhaus schreibt, damit ich endlich untersucht werden konnte. Denn der alte Hausarzt, der in Rente gegangen ist, wollte mir nicht glauben, dass mein Zyklus wirklich schlecht ist, dass ich nicht schwanger werden konnte. Er sagte alles sei normal, es käme durch die Geburt und die Trauer. Im Krankenhaus halfen sie mir nach Wochen Wartezeit dann endlich und gaben mir Recht. Mein Zyklus war so schlecht, dass ich nicht schwanger werden konnte. Aber das habe ich alles in einem anderen Bericht beschrieben der um unseren Kinderwunsch geht.

21.01.2017

Mein Gehirn filtert den Schmerz aus meinen Erinnerungen

Es fällt mir immer wieder auf. Wenn ich zurück denke an die letzten Monate, ja sogar fast das ganze letzte Jahr, dann merke ich dass ich mich nicht an dem Schmerz erinnern kann wie er war. Mein Gehirn scheint ihn ab zu schwächen um mich zu beschützen.

Ich erinnere mich an die Situationen in denen ich kurz lachen konnte, auch kurz nach Joeps Tod, ich erinnere mich an die Scherze und muss wieder lächeln. Ich erinnere mich nicht mehr dass ich an diesem Tag auch unfassbar traurig war oder weinte. Ich weiß dass es so war, denn ich weinte jeden Tag. Jeden Tag empfinde ich den Schmerz des Vermissens und der Trauer aber das Gefühl des Schmerzes ändert sich und mein Gehirn vergisst wie er sich all die Monate anfühlte.

Ich kann mich nicht erinnern wie unfassbar weh es tat, ich weiß es ganz genau, der Schmerz war so unerträglich dass ich lieber nicht mehr leben wollte aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern wie es sich wirklich anfühlte. Es ist verrückt. Ich erinnere mich wohl noch ganz genau an den Stolz den ich immer für Joep fühlte und noch immer fühle, der hat sich auch nicht verändert. Ich bin so unglaublich stolz auf meinen kleinen starken hübschen Jungen. Ich erinnere mich so gut an die Liebe die ich fühlte als er noch da war und jetzt während ich das schreibe steigen mir Tränen in die Augen weil ich die Liebe so deutlich fühle, weil es die schönsten Momente meines Lebens waren.

Wahrscheinlich sollte ich froh und dankbar sein dass ich mich nicht mehr richtig an diesen Schmerz erinnere. Auch der Schmerz den ich heute noch fühle ist so viel schlimmer als alles was ich jemals vor Joep gefühlt habe. Aber irgendwie fühlt es sich auch an als ob mein Kopf mir ein Stück von Joep wegnimmt das doch so zu ihm gehört.

Meine Liebe die ich empfinde fließt in allen Tränen die ich weine. Traurigkeit ist ein Teil von mir geworden, es gehört so sehr zu mir dass mein Kopf es scheinbar nicht mehr für wichtig hält dass ich mich richtig daran erinnere. Traurigkeit ist eine Art neue Eigenschaft die mir von Joep geblieben ist, sie gehört zu meinem neuen Ich, sie ist immer da, auch wenn ich lache, auch wenn ich nicht bewusst an sie denke.

Vielleicht filtert mein Gehirn auch weil es auf dem Weg in die Zukunft ist. Irgendwann werde ich an Joep denken und glücklich lächeln voller Dankbarkeit und Liebe weil ich seine Mama sein darf. Dann werde ich Liebe empfinden und wird die Liebe in meinem Lächeln stecken anstatt in meinen Tränen. Dann werde ich wieder glücklich sein und wird Joep Teil meines Glückes sein.

20.01.2017

Eine Hand auf meiner Schulter

Oft sagen die Leute zu mir: "Ich weiß nicht was ich sagen soll" wenn ich das erste mal erzähle dass Joep gestorben ist. Ich sehe jedem immer an dass sie sich erschrecken, egal ob es Menschen sind die selbst Kinder haben oder nicht, in erster Instanz erschreckt sich jeder.

Nach einiger Zeit merke ich allerdings das Menschen ganz unterschiedlich reagieren. Manche Menschen können sich besser einleben als andere. Menschen mit Kindern in der Regel besser als Menschen ohne weil sie wissen was wir vermissen. Wenn jemand selbst keine Kinder hat kann er nicht wissen wie sehr man sein Kind liebt, wie stark die Liebe ist die ich nicht geben kann.

Niemand weiß was er sagen soll weil es nichts gibt das man sagen kann. Niemand kann etwas sagen das meinen Schmerz weg nimmt. Aber kleine Gesten sagen oft genug.

Auf der Arbeit passiert es öfter dass ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter spüre, ein kleiner Moment. Jemand läuft vorbei, oft sagen sie kein Wort, aber es ist diese kurze Berührung die mir sagt: "Ich denke an dich und Joep, ich weiß dass es dir nicht gut geht. Ich finde es tapfer dass du hier sitzt und arbeitest und versuchst dein Leben wieder auf zu bauen." Die erste Hand auf meiner Schulter war wirklich etwas besonderes, ich habe nie gedacht dass so eine kleine Berührung, so eine kleine Aufmerksamkeit, so gut tun kann. Seitdem gibt es das immer wieder, von vielen verschiedenen Menschen ohne dass ich je gesagt habe wie angenehm ich es finde.

Ich brauche keine grossen Worte, der Schmerz in den Augen der anderen wenn ich weine, oder die Hand auf meiner Schulter sind mehr als genug. Es reicht mir wenn ich spüre/höre das jemand an mich denkt, dann muss er nichts großes sagen.

Solange man mir das Gefühl gibt dass ich über Joep reden darf wenn ich das gerne möchte, mehr kann man für mich nicht tun. Das chinesische Zeichen für zuhören ist so passend und beschreibt alles was ich von meinem Gegenüber brauche:

Afbeeldingsresultaat voor chinees symbol listen


Ich bin so dankbar für jede Hand auf meiner Schulter.

15.01.2017

Der 15.

Jeden Monat bekommt Joep am 15. einen Ballon auf den ich schreibe wie alt er hätte werden sollen.
Es vergeht kein Monat am dem ich am 15. nicht ganz genau weiss was an diesem Tag passiert ist... Erst lag Joep 2 Stunden bei mir auf der Brust. Kurz danach starb er fast in Renes Händen. Er wurde so schnell wie möglich nach Leiden gebracht und sofort operiert. Alles war gut, er war stabil, uns wurde Hoffnung gemacht. Dann hatte Joep die Hirnblutung, wieder starb Joep fast während wir gerade versuchten zu schlafen weil wir so erschöpft waren. Aber er war so stark, ein echter Kämpfer! Joep hat den 15. überlebt und uns gezeigt wie stark er ist, um uns Mut zu machen, die Stärke hatte er von uns und jetzt müssen wir schon 9 Monate stark sein.

Der 15. Februar war der schönste Tag meines Lebens, der glücklichste. Jeden Monat am 15. erinnere ich mich an jede Sekunde dieses Tages. Jeden Monat am 15. bin ich unendlich traurig weil ich weiß dass Joep nicht bei mir sein darf, weil ich immer an die glücklichste Zeit meines Lebens denke und dann weiß dass es der Anfang der traurigsten Zeit meines Lebens war. Die Hirnblutung war der Anfang des Endes von unserem Glück. Genau jetzt, vor 11 Monaten war Joep gerade außer Lebensgefahr und dachten wir dass er überleben wird. Ich war mir sicher, ich musste mir sicher sein. 
Ich durfte nichts anderes denken, der Gedanke war unerträglich und Joep brauchte unsere Hoffnung.

Jeder 15. Ist etwas ganz Besonderes. An jedem 15. mache ich für Joep einen Ballon den ich an seinem Grab fest mache.

Leider habe ich im Mai kein Foto gemacht von Joeps Grab, aber er hatte jeden Monat einen Ballon:


03.01.2017

Traum

In letzter Zeit träume ich öfter dass ich wieder schwanger bin. Seitdem ich positiv getestet habe habe ich in meinem Traum oft wieder eine kleine Kugel mit der ich rum laufe. Auch diese Nacht war ich im Traum wieder schwanger aber dieser Traum war doch so heftig dass ich ihn aufschreiben will.
Im Traum hatte ich einen richtig dicken Bauch. Rene und ich waren im Urlaub, das Wetter war schön und wir liefen irgendwo an einer Küste rum. Alles war gut, ich war sicher schon 8 oder 9 Monate schwanger. Wir liefen an der Küste entlang und kamen an einem kleinen Kinderfriedhof vorbei. Ich wollte unbedingt gucken gehen weil dort Lars lag, der Sohn einer Mama die ich durch LE kennen gelernt habe, ich habe Lars schon ein paar mal an seinem Grab besucht und auch im Traum erkannte ich sein Grab ganz schnell. Es war der gleiche Grabstein wie im echten Leben aber Joep lag hier nicht. Wir waren in Urlaub und Joep lag zuhause.
Irgendwann später wusste ich plötzlich dass das Baby in meinem Bauch tot war, dass ich kein lebendes Kind bekommen würde. Es war komisch, ich weinte, ich war so emotionslos. Es fühlte sich nicht schlimmer an als die Fehlgeburt die ich gerade hatte. Irgendwie hatte ich scheinbar kaum eine Bindung aufgebaut zu dem Baby. Wir waren noch immer im Urlaub und ich bekam Wehen, die Geburt ging so schnell dass wir es nicht einmal ins Krankenhaus geschafft haben. Ich bekam wieder einen Sohn. Er war gross und wunderschön. Er ähnelte Joep aber sah doch auch anders aus. Die Gedanken an und die Ähnlichkeit zu Joep waren was mich letztendlich traurig machte. Ich hielt das Baby, wusch es, kuschelte es, der kleine Bruder war wunderschön. L. sollte er heißen, das wusste ich in meinem Traum sicher und es war wunderschön mein Baby im Arm zu halten, wunderschön aber auch traurig weil er sich nicht bewegte, weil er schlapp war und nicht weinte.
Joeps Bruder wurde auf dem Friedhof auf dem auch Lars lag begraben und irgendwie lag jetzt auch Joep auf diesem Friedhof. Margriet schickte mir ein Foto, sie hatte Joep ausgegraben. Joep war noch immer wunderschön und Joeps Bruder lag neben Joep. Sie sahen sich so ähnlich und waren beide so hübsch dass ich mich gar nicht entscheiden konnte wer von den beiden hübscher war. Ich war so froh dass Margriet mir die Fotos schickte und ich sie nebeneinander sehen konnte. Zwei wunderschöne neugeborene Jungen die nicht leben durften und jetzt zusammen waren. Dass sie zusammen waren fühlte sich richtig an.
Nachdem beide einen Grabstein hatten zweifelte ich plötzlich. Warum hatte ich dieses Baby L. genannt? Ich wollte mein lebendes Baby L. nennen und jetzt waren die 2 schönsten Namen vergeben und standen nur auf einem Grabstein. Es fühlte sich an wie ein Fehler, dieser kleine Junge hätte Koen oder Roel oder Joeri heißen sollen dachte ich. Warum hatte ich ihn nur L. genannt?
Es war ein komischer Traum... Es dauerte einige Zeit bevor ich mich heute morgen wieder erinnerte dass ich diesen Traum hatte. Wahrscheinlich sind es meine Ängste die Schuld haben an diesem Traum. Noch ein Kind verlieren ist das schlimmste was ich  mir vorstellen kann. Als ob das Leben noch so viel Schreckliches für mich geplant hat und mein Traum hat sich schon mal überlegt was das sein könnte. Vielleicht hatte es auch mit der Fehlgeburt zu tun, von der ich so sicher bin dass es wieder ein kleiner Junge war, es hätte ein kleiner L. sein sollen aber den Namen bewahren wir uns für das nächste Kind das wir mit nach Hause nehmen dürfen.

01.01.2017

Gästebuch

Über einen Eintrag im Gästebuch würde ich mich sehr freuen!
Ich habe in erster Linie angefangen diesen Blog zu schreiben um mir alles von der Seele zu schreiben was mich beschäftigt. Dieser Blog ist eine Art Therapie für mich.

Seit Monaten merke ich aber dass dieser Blog sehr oft angeklickt wird und ich würde mich freuen mehr über meine Leser zu erfahren. Habt ihr Fragen? Oder Themen über die ihr gerne mehr hören wollt? Wer seid ihr?

30.12.2016

Fehlgeburt

Im Urlaub und über Weihnachten hatte ich eine Fehlgeburt.
Bevor wir in Urlaub gefahren sind hatte ich schon eine Blutung und ich dachte dass der Zyklus wieder nicht OK war. Es war viel zu früh um meine Tage zu bekommen und es frustrierte mich dass scheinbar noch immer nichts OK war mit meinem Körper und ich wieder einen Zyklus verpasst hatte und im Nachhinein die Gewissheit hatte dass ich gar nicht schwanger werden konnte im Dezember. Es macht mich fertig dass die leise Hoffnung auf einen guten Zyklus wieder zerschlagen worden war und das so kurz vorm Urlaub.

Meine Angst nicht schwanger werden zu können die mich schon seit Monaten verfolgt war natürlich wieder da. Ich hatte die letzen Monate trotz 2 guter Zyklen in denen wir auch eine echt Chance hatten einfach keine Hoffnung mehr. Und jetzt fuhr ich also mit einer Blutung in Urlaub und ärgerte mich darüber dass ich nicht zum Arzt konnte und mir wahrscheinlich wieder niemand erklären kann was denn los ist.

Bevor ich wieder mit meinen Medikamenten anfing in dem neuen Zyklus wollte ich zur Sicherheit doch einen Schwangerschaftstest machen. Bei Joep hatte ich auch 4 Tage eine Blutung also wollte ich auf Nummer sicher gehen auch wenn es eigentlich keine Hoffnung gab, aber ich werde immer auf Nummer sicher gehen und in der nächsten Schwangerschaft alles richtig machen. Ich machte am 20. Dezember ganz früh einen Test und ging ohne auf das Ergebnis zu warten wieder ins Bett. Einige Zeit später stand Rene auf und ging ins Badezimmer und ich sagte ihm er solle eben gucken. Er machte das Licht an aber seine Augen mussten sich noch ans Licht gewöhnen. Er sah einfach gar nichts und sagte verärgert wie er denn bitte etwas sehen soll bei dem Licht. Im Halbschlaf rief ich dass er es lassen soll. Wenn er nichts sieht dann ist da auch nichts. Doch dann sagte er 'aber ich seh was'. Ich sprang so schnell aus meinem Bett wie ich konnte, selbst überrascht wie wach ich augenblicklich war. Ich lief ins Badezimmer, nahm ihm den Test aus der Hand und tatsächlich: 2 Streifen. Nur ganz leicht aber es war definitiv ein zweiter Streifen. Ein bisschen schwanger gibt es nicht, positiv ist positiv und für den Bruchteil einer Sekunde war ich richtig glücklich. Rene und ich waren richtig glücklich. Zum ersten Mal seit Joep gestorben ist waren wir wieder glücklich.

Aber sofort dachte ich auch an die Blutung. Bei Joep hatte die Blutung zu dieser Zeit in Zyklus schon lange aufgehört. Bei Joep war der Test am gleichen Tag viel stärker positiv. Sofort machte ich mir auch Sorgen. Schon am Flughafen hatte ich zu Rene gesagt dass es auch eine Fehlgeburt sein kann, dass das der Grund sein kann für die Blutung. Und auch jetzt dachte ich wieder daran dass es eine Fehlgeburt sein könnte.

Ab jetzt war der Urlaub eine Mischung aus Hoffnung und Angst. Zeitweise machten wir schon Pläne für das Baby, dann dachten wir wieder dass es nicht geklappt hat. 2 Tage später machten wir noch einen Test und der war Test etwas deutlicher positiv aber auch meine Blutung war inzwischen stärker. Es gab uns wieder etwas mehr Mut. Wenn das HCG in meinem Körper noch steigt dann weil das Baby noch lebte. Aber HCG im Urin hinkt dem im Blut 2 Tage nach also bedeutete das nur dass vor 2 Tagen noch alles in Ordnung war. Beim 1. Test war ich also noch sicher schwanger.

Wir gingen ins Krankenhaus auf Teneriffa in der Hoffnung dass man uns die Angst nehmen kann. Sowas hätten wir bei Joep nie gemacht. Wir waren nie so ungeduldig und hatten immer Vertrauen, aber diesmal dachten wir dass es uns helfen kann den Urlaub besser zu genießen. Der Arzt sah bei 4+1 Wochen noch gar nichts auf dem Ultraschall. Wir gingen raus und ich war einfach nur traurig. Ich dachte das wars, man sieht nichts... Man sollte doch wenigstens etwas sehen? Der Arzt meinte dass es noch zu früh war um etwas zu sehen aber ich dachte es besser zu wissen. Rene hatte nach dem Gespräch wieder Mut. Der Arzt sprach Englisch mit sehr starkem Akzent und war nicht wirklich gut zu verstehen. Renes Positivität steckte mich an und meine Hoffnung kam langsam zurück. Die Blutung stoppte aber nicht und jeden Tag die sie länger dauerte schwand unsere Hoffnung wieder.
Ich bekam langsam aber sicher Schwangerschaftssanzeichen. Ich schlief viel und mir war schlecht wenn ich nicht regelmäßig ass. Einen Morgen gingen wir nach dem Frühstück wieder aufs Zimmer weil mir schlecht war. Auch das gab uns Mut aber diese Wehwehchen wurden auch immer weniger und ich bekam eine Erkältung. Rene schlief auch so viel im Urlaub und ich fragte mich ob es überhaupt Anzeichen waren?

Als wir aus dem Urlaub kamen hatte ich am 28. Dezember einen Termin im Krankenhaus. Die Blutung war noch immer stark und ich hatte wenig Hoffnung. Auf dem Ultraschall sah man schon wieder viel zu wenig. Sie konnten etwas erahnen aber man sah nicht was man sehen sollte bei genau 5 Wochen. Ich lag da und weinte, es fühlte sich an als ob meine Ängste schon bestätigt wurden bevor man es mir sagte. Wir ließen mein Blut untersuchen auf HCG, wenn das HCG in meinem Blut noch steigt war alles gut aber nachmittags bekam ich eine E-Mail dass das HCG schon wieder so niedrig war dass es fast auf meinen Körper raus ist. Ich musste jetzt einfach abwarten bis die Blutung aufhören. Ich hatte sicher eine Fehlgeburt. Ich war alleine zuhause, Rene musste arbeiten und ich wusste nicht was ich fühlen sollte. Bis heute weiss ich es nicht.

Es fühlt sich nicht an als ob wir noch ein Kind verloren haben, dieses Leben war viel zu kurz, das Herzchen schlug nur wenige Tage in meinem Bauch. Wir hatten noch keine Pläne für dieses Kind. Nur das starke Gefühl dass es wieder ein Junge war und den Wunsch dass er bei uns blieb. Das Gefühl was ich jetzt habe ist eine Mischung aus Hoffnung und Schmerz. Ich kann also wieder Schwanger werden. Meine Ängste nie wieder schwanger zu werden sind momentan weg. Ein sicheres Gefühl dass wir 2017 wieder Eltern werden ist dafür gekommen. Aber das Gefühl dass unser Leben so unfassbar ungerecht ist ist nochmal stärker geworden. Wir können nichts planen. Unser Leben macht was es will. Erst stirbt Joep, dann kann ich ohne Hilfe und Hormone nicht mehr schwanger werden und dann bin ich endlich schwanger und habe ich eine frühe Fehlgeburt. Immer wenn ich denke noch schlimmer kann es gar nicht werden scheint mein Leben mit stolz zu zeigen dass es natürlich noch etwas für mich in petto hat.

Irgendwie kann ich es alles überleben. Zusammen mit Rene schaffe ich es alles aber ich kann es nur weil ich es muss. Ich muss überleben. Ich habe nie gewollt das alles zu überstehen aber jetzt muss ich es und ich tue was ich tun muss.

27.12.2016

2016 - Joeps Jahr geht vorbei...

2016 ist Joeps Jahr. Das ganze Jahr stand für uns im Zeichen von Joep. Es begann mit dem Abschied auf der Arbeit und den 5 Wochen zuhause in denen ich auf die Geburt wartete. Ich war so glücklich und konnte es kaum erwarten. Am liebsten wollte ich dass er ein paar Wochen zu früh kommt, ich wollte unbedingt sein Gesicht sehen. Mit 37 Wochen hätte er geboren werden dürfen, er war fertig, wir waren bereit. Aber Joep ließ sich Zeit, zum Glück. Er schenkte uns diese extra Woche und wurde erst mit genau 41 Wochen Schwangerschaft geboren.

Ich habe so viel von Joep gelernt. Ich habe gelernt wie stark ich lieben kann, dass mein Kind wirklich das aller Schönste für mich ist. Ich habe Kräfte gehabt von denen ich nicht wusste dass ich sie habe. Ich habe um Joep gekämpft wie eine Löwin. Ich sass an seinem Bett und habe mich nicht geschont nach der Geburt. Ich brauchte keine Ruhe. Joep brauchte mich und ich war für ihn da. Ich habe in dieser Woche so viel gelernt. Ich habe meinen Sohn kennen gelernt, ich habe gelernt dass Liebe stärker ist als der Tod.

2016 fing für mich perfekt an. Hochschwanger drehte sich natürlich alles um Joep. Ich konnte mich nicht bewegen ohne ihn zu spüren. Aufstehen ging kaum noch. Ich habe gelernt dass eine Geburt das schönste ist was es auf der Welt gibt, dass all die Horrorgeschichten vor denen ich nie Angst hatte die extremen Ausnahme Situationen sind. Die schönen Geschichten sollten viel mehr erzählt werden.

Und dann starb Joep und zum ersten mal in meinem Leben habe ich erfahren was Trauer eigentlich bedeutet. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich erfahren wie es sich anfühlt richtig traurig zu sein. Wie es ist wenn man so traurig ist dass einem das Leben nicht mehr lebenswert erscheint. Ich weiß jetzt wie es sich anfühlt um zu leben nur des Lebens wegen und nicht weil man es möchte. Ich weiß wie sich ein Leben ohne Glück anfühlt. Ich habe lernen müssen Menschen die ich liebe vor den Kopf zu stoßen weil ich keine Nähe mehr ertragen konnte. Ich habe gelernt mich in der Vordergrund zu stellen und dafür zu sorgen dass Menschen mir nicht mehr die so kostbare Energie rauben.

Ich habe gelernt dass trauern so viel mehr ist als ich dachte. Ich habe gelernt, dass man jeden Tag an sein verstorbenes geliebtes Kind denkt. Jeden Tag Stunden lang. Ich habe gelernt dass das Leben nicht gut ist. Mein Leben ist momentan schlecht und ich habe gelernt damit um zu gehen. Erst stirbt mein Baby und dann werde ich nicht mehr schwanger. Es ist wie ein schlechter Film.

Dieses Jahr gab es keinen Tag an dem ich nicht an Joep gedacht habe. Er war immer in meinem Kopf, immer. Jeden Tag habe ich über und mit ihm geredet. Ich habe gelernt dass es jede Menge Raum in meinem Leben für Joep gibt. Ich habe gelernt dass Menschen die ich mochte auf einmal keinen Teil meines Lebens ausmachen weil sie mich nicht verstehen wollen und mir nur weh tun und dann auch noch denken sie seien im Recht. Ich habe gelernt dass ich Dinge fühle die nicht zu mir passen. Aber das ist okay, ich darf alles fühlen was ich fühle weil es normal ist und dazu gehört, es ist okay anderen ihr Glück nicht zu gönnen weil ich es doch selbst viel mehr verdiene. Weil ich doch selbst ein gesundes Baby verdiene und ich in meiner Schwangerschaft alles richtig gemacht habe. Wir haben doch eine Eigentumswohnung, finanzielle Sicherheit, wir hatten doch alles. Joep war geplant und nicht ungewollt und er starb. Andere werden ungewollt schwanger und kümmern sich nicht um ihre Kinder. schreien sie in der Öffentlichkeit an, sind in meinen Augen schlechte Eltern, aber ihre Kinder leben.

Es ist Joeps Jahr und das Jahr ist fast vorbei. Nur noch wenige Tage und 2016 ist Vergangenheit. Und irgendwie fühlt es sich an wie ein Abschied von Joep. Es ist sein Jahr und es ist fast vorbei. Natürlich ist meine Trauer dann nicht vorbei aber ich habe Angst was die Welt dann von mir erwartet. Wenn ich sage letztes Jahr ist mein Sohn gestorben... das hört sich so viel weniger schlimm an als vor ein paar Monaten ist mein Sohn gestorben. Wie lange wird mein Umfeld noch Verständnis haben? Und wie werde ich auf Unverständnis reagieren?

Ich habe Angst vor 2017. Sollte ich gute Vorsätze haben? Alles was ich will ist ein Baby aber das kann man nicht planen. Kinder sind ein Geschenk, großes Glück und ob ich dieses Glück wieder haben darf weiß ich nicht? Bedeutet ein positiver Schwangerschaftstest denn dass ich auch ein gesundes Kind mit nach Hause nehmen darf? Die Gefahr ist doch so groß dass er das nicht bedeutet. Viel grösser als die Chance dass Joep sterben würde als er doch so fit geboren wurde.

Ich habe Wünsche für 2017, keine Vorsätze. Ich wünsche mir dass es mir wieder etwas besser geht, dass Joep immer so nah bei mir ist wie in 2016. Ich wünsche dass meine Umgebung weiterhin Verständnis für mich hat. Ich wünsche mir dass wenn ich wieder schwanger werden darf ich auch ein gesunder Baby bekommen werde. Ich wünsche mir dass eine erneute Schwangerschaft tatsächlich wieder Glück in unser Leben bringt. Ich wünsche mir dass ich die Welt ein klein wenig besser machen kann indem ich anderen Menschen helfe. Ich wünsche mir dass ich meine Versprechen die ich Joep gegenüber gemacht habe halten kann. Es sind Wünsche aber ich traue mich nicht zu hoffen dass sie in Erfüllung gehen. Ich habe das Vertrauen ins Leben verloren. Ja vielleicht wünsche ich mir sogar dass ich dieses Vertrauen wieder finden kann. Vielleicht noch nicht in 2017 aber irgendwann... Und ich hoffe dass ich alles Gute was ich jetzt noch habe für immer behalten kann, ich wünsche mir dass 2017 nicht noch schlimmer wird als 2016. Denn auch das lese ich, dass das zweite Jahr noch schlimmer ist als das Erste.

2016 ist Joeps Jahr. Joep hat es zum schönsten und traurigsten Jahr meines Lebens gemacht. Ich habe so viele liebevolle Erinnerungen und wunderschöne Momente die ich nie vergessen werde. Und so viel traurige Momente die auch immer dazu gehören werden.

Egal welches Jahr wir schreiben, meine Liebe für Joep wird immer groß sein! Ich wünsche mir dass Joep nicht vergessen wird. Ich wünsche mir dass Menschen an Joeps Geburtstag denken und uns wissen lassen dass sie an ihn denken. Das tut uns so gut und ist so wichtig für uns. Ich wünsche mir dass Joep niemals vergessen wird und sein Name immer genannt wird, dass er nicht nur für uns immer dazu gehört.

Erste Weihnachten ohne Joep

Es ist Weihnachten und es ist alles so anders als es sein sollte. Vor einem Jahr haben wir uns ausgemalt wie schön Weihnachten doch sein würde mit Joep. Die Kinder meiner Schwester waren gerade geboren worden und ich war hoch schwanger. Dieses Jahr sollten sie zusammen Geschenke auspacken, alle 3 ungefähr gleich groß. Die Jungs von meiner anderen Schwester sind jetzt fast 3 Jahre alt. 5 Kinder innerhalb von 2 Jahren... Weihnachten hätte ein großes Kinderfest werden sollen.
Und irgendwie ist es das ja jetzt auch noch. 4 Kinder unterm Weihnachtsbaum bei Oma und Opa. 4, nicht 5.

Auch meine Schwägerin hat dieses Jahr ein Kind bekommen und auch unter dem Weihnachtsbaum meiner Schwiegereltern liegt jetzt ein Baby das nicht unseres ist. Und jeder freut sich über diese Kinder, spielt mit ihnen, hält sie, stellt Fotos von sich und den Kindern online... Und genau das ist was so weh tut. Zu sehen wie jeder so glücklich ist wegen den kleinen Kindern und zu wissen dass niemand so glücklich ist weil er mit Joep spielt. Das Glück der anderen ist noch schmerzhafter wenn man sieht wie glücklich jeder über diese Kinder ist. Alleine mit den Kindern und ihren Eltern schaffe ich, aber sobald jemand anderes dabei ist tut es mir zu weh. Es tut zu weh zu sehen wie glücklich Omas, Opas, Tanten und Onkel sind wenn sie bei den Kindern sind. Das ist mehr als ich ertragen kann.

Der Gedanke an Weihnachten hat mir das ganze Jahr schon Angst gemacht... Wie sollen wir das schaffen? Anfangs hatten wir noch die Hoffnung dass ich mit dicken Bauch unterm Baum sitzen werde und es uns gut genug ginge aber im Laufe des Jahres wurde es jeden Monat deutlicher... Schwanger werden vor Weihnachten hat nicht geklappt. Stark genug sein um Weihnachten zu feiern auch nicht.

Immer wieder sagte ich zu Rene dass ich Weihnachten nicht feiern will. Irgendwann merkte auch Rene dass es für uns das Beste ist wenn wir nicht feiern. Seine Idee war in Urlaub zu fahren. Irgendwo hin wo es sich auch gar nicht anfühlt wie Weihnachten. Also haben wir vor ein paar Monaten eine Woche Teneriffa gebucht. Kein Urlaub auf den wir uns freuen konnten. Wir wussten wir fliehen vor Weihnachten. Wir wollen nichts von Weihnachten mitbekommen und darum flogen wir in Urlaub. 

Es war so komisch weg zu gehen. Schon morgens ging alles schief was schief gehen konnte. Um halb 7 mussten wir eigentlich schon getankt haben und unterwegs sein. Wir hatten vergessen einen Wecker zu stellen und um kurz nach 6 wurde ich wach und realisierte zum Glück sofort dass ich keinen Wecker gestellt hatte. Also gingen wir duschen, packten noch die letzten Sachen zusammen, vergassen unsere Brötchen im Ofen und fuhren ohne zu frühstücken um halb 7 los. 

Wir hatten am Vortag einen billigeren Parkplatz gebucht für den Urlaub so dass wir mit dem Auto fahren konnten. Von diesem Parkplatz aus sollten wir mit einem Bus zum Flughafen gebracht werden. Wir waren nur 5 Minuten zu spät an der Adresse zu der wir geschickt wurden aber dort konnten wir keinen Parkplatz finden. Wir fuhren eine Runde und fanden dann ganz klein doch noch ein Schild und wir dachten den richtigen Parkplatz gefunden zu haben. Wir sollten uns an der Intercom melden aber niemand antwortete. Wir riefen die Nummer an die neben der Intercom stand aber so früh Sonntag morgens ging auch niemand ans Telefon. Ich wollte schon zum Flughafen fahren und dort einfach parken als sich doch noch jemand meldete und die Schranke öffnete. 2 Minuten später sassen wir schon im Bus auf dem Weg zum Flughafen. Alles hatte geklappt, wir waren zeitig am Flughafen und sassen zeitig im Flieger.

Der Flug war komisch, schon am Flughafen war die Wartezeit sehr komisch. Ich wollte plötzlich nicht mehr weg. Weg von Joep, es fühlte sich falsch an. Warum sollte ich weg gehen? Weg von allem was mich doch mit Joep verbindet. Weg von seinem Grab, seinen Sachen? Ich hatte ein paar von seinen Sachen im Gepäck. Im Flugzeug sass ich mit Joeps Kissen im Arm und die Zeit verging von selbst. Wir waren müde, unfassbar erschöpft. Ich hatte Kopfschmerzen und als wir endlich im Hotel waren wollten wir eigentlich nur ins Bett. Aber wir hatten Hunger und mussten außerhalb etwas essen gehen. Außerdem hatten wir nichts zu trinken im Hotel und ich wollte endlich was gegen diese Kopfschmerzen nehmen, ich brauchte ein Glas Wasser. Also gingen wir sofort wieder raus und assen im Restaurant direkt gegenüber dem Hotel. 

Am nächsten Tag ging es uns wieder etwas besser aber es war kein Urlaub so wie es früher war. Das Gefühl von Flucht lag in der Luft. Wir waren nicht in Urlaub um die Insel zu erkunden, wir waren hier um kein Weihnachtsgefühl zu haben und abgesehen davon dass die Kirchenglocken jeden Tag mehrmals Weihnachtslieder spielten und überall Weihachtsbäume standen klappte das überraschend gut. Das Wetter war okay, es fühlte sich an wie Sommer und nicht wie Weihnachten. 

Der 23. war schwer für mich. Zum ersten Mal konnte ich an Joeps Todestag nicht an sein Grab, ihn nicht besuchen. Aber der Tag verging und war nicht viel schlimmer als andere. Der 24. war unser letzter kompletter Tag und wir hatten beschlossen einen Ausflug zu machen. Wir waren im Siam Park, ein großer Wasserpark und es machte uns wirklich Spaß. Auf den Wasserrutschbahnen sassen wir zusammen in Schwimmreifen und anstatt einfach so zu schreien fing ich an 'Ich liebe Joep' zu schreien und Rene schrie mit mir mit. Joep war bei uns, zu Hause feierte man Weihnachten aber wir verpassten Weihnachten und dachten kaum daran. Nachdem wir alle Rutschen versucht hatten waren wir sehr erschöpft. Es war kalt, trotz Neoprenanzug zu kalt und wir gingen Mittags wieder zurück. Wir fuhren mit dem Bus zum Strand um dort zu essen. Anfangs fühlte es sich an als ob die Tage gar nicht vergehen und plötzlich war unser Urlaub vorbei. Anfangs hatte ich Angst, wie wird es sein, so weit weg von zu Hause? Der Urlaub war besser als erwartet, es fühlte sich an wie Urlaub und nicht nur wie eine Flucht. Aber jetzt war der Urlaub vorbei und ich hatte Angst vor zu Hause. Wie wird es sein? Zu Hause fühlte sich immer sicher und richtig an aber jetzt hatte ich Angst davor wie es sich wohl anfühlt zu Hause zu sein wo die letzten Monate doch so viel Traurigkeit herrschte. 

Ich bin froh dass wir in Urlaub gefahren sind, es fühlte sich viel richtiger an als ich erwartet hatte. Rene und meine Beziehung war nie schlecht oder so etwas aber die letzten Monate hat Rene Vollzeit gearbeitet und war abends immer total erschöpft. Seit Monaten hatten wir kaum Zeit mehr für einander und wir vermissten diese Zeit mehr als uns bewusst war. Die Woche tat uns gut, endlich konnten wir uns erholen. Ich weinte auch im Urlaub um Joep, wir haben viel über Joep geredet, er war so anwesend. Wir hatten viel mehr Zeit über ihn zu reden und es tat gut.

In der letzten Nacht träumte Rene zum ersten mal von Joep. Joep sagte: "ich liebe dich Papi".

Am 25. flogen wir nach Hause und auch zu Hause fühlte sich einfach richtig an. Zu Hause angekommen bemerkte ich dass ich scheinbar vergessen hatte die Spülmaschine an zu stellen und alles war verschimmelt. Den Gefrierschrank hatte ich morgens nicht richtig zu gemacht als ich die Brötchen in den Backofen legte und der war total zugefroren und musste enttaut werden aber sonst war zu Hause alles in Ordnung. 


23.12.2016

Wo auch immer wir sind, du gehörst zu uns!

Wir sind das erste Mal zusammen weg, weit weg von dir. Zum ersten Mal kann ich am 23. nicht bei dir sein, nicht dein Grab versorgen, nicht tun was sich richtig anfühlt.

Wir sind weit weg, weg von deinen sterblichen Überresten, deinem kleinen Körper der schon lange nicht mehr perfekt schön ist. Morgen bist du schon 10 Monate tot und Mama und Papa sind weit weg. Aber du bist bei uns Schatz, wir haben dich mitgenommen. Mama und Papa sind mit dem Flugzeug durch dieWolken geflogen und irgendwo bist du auf deiner Wolke mit uns mit geflogen. In den Wolken waren wir uns so nah, obwohl du doch jede Minute weiter weg warst. Aber wir waren im Himmel, du bist im Himmel. Es fühlte sich nicht an als ob du weiter weg bist als sonst.

Wir sind nicht ohne dich in Urlaub gefahren, wir sind mit dir im Herzen und Erinnerungen an dich im Gepäck gefahren.

Auf dem Nachtisch steht dein Foto, liegen deine Hand und Fussabdrücke aus Silikon auf deiner Decke. Steht deine kleine Katze neben dem Bild von uns 3en. Auf dem Bett liegt das Kissen mit deinen Foto. Wir reden viel über dich und mit dir. Du bist immer dabei.

Gerade liege ich am Pool in der Sonne, Papa fühlt sich nicht gut, seit gestern Abend ist er krank und er braucht Zeit für sich also ist er im Zimmer. Ich liege hier und höre deine Lieder. Waar ter wereld we ook lopen, je blijft bestaan... Und das ist wirklich so lieber Joep. Ja wir können vor Weihnachten fliehen aber niemals vor dir. Das wollen wir auch gar nicht, du gehörst dazu. Für immer.

Wir sind in einer anderen Welt. Endlich den ganzen Tag wieder zusammen aber das macht die Trauer nicht einfacher. Es ist nicht besser hier. Das einzige was besser ist ist dass Papa mehr Zeit für Mama hat und er sich endlich erholen kann. Die letzten Monate Arbeiten waren einfach zu viel...

Schon vorm Urlaub störte mich die Frage schon ob wir uns denn auf den Urlaub freuen. Wenn jemand sagte er sei neidisch wollte ich ihn beschimpfen. Worauf neidisch? Wir fliehen vor Weihnachten weil wir es nicht aushalten. Niemand braucht neidisch auf uns zu sein, unser Leben ist nicht mehr zum neidisch sein. Nichts Materielles macht uns glücklich... Würden die Leute 5 Minuten fühlen was wir jeden Tag fühlen, niemand würde noch so leichtsinnig fragen ob wir uns auf etwas freuen, würde sagen dass er neidisch ist wenn er uns einen schönen Urlaub wünscht.

Coco besucht dein Grab während wir hier sind. Du bist auch zu Hause nicht alleine Schatz... Das gibt mir Ruhe und ein gutes Gefühl. Du bist nicht alleine, es sind noch genug Leute in deiner Nähe die dich lieben.

14.12.2016

Weltweiter Candle Lighting Day

Sonntag war world candle lightning day, ein Tag der vor ungefähr 20 Jahren ins Leben gerufen wurde um all unseren Kindern zu gedenken die nicht bei uns sein dürfen. Jedes Jahr am 2. Sonntag im Dezember ist World Candle Lightning Day und dieses Jahr waren wir zum ersten Mal dabei. Vor Joep wussten wir noch nicht mal dass es diesen Tag gibt.

In Holland wird dieser Tag in den meisten Gemeinden in Gruppen 'gefeiert' und man kann sich aussuchen ob und wohin man gehen möchte. Viele Mamas mit denen ich rede gehen an diesem Tag zu so einem Treffen, manche zünden auch nur zuhause eine Kerze an und stellen sie um 19 Uhr ins Fenster und denken an unsere Engel.

Der Friedhof auf dem Joep liegt organisiert jedes Jahr so ein Treffen für Eltern von verstorbenen Kindern, dabei ist es nicht wichtig wie alt das Kind war, es geht um den Verlust seines Kindes. Ich sah schon vor Monaten einen Aushang hierfür und wusste sofort dass ich gehen wollte, auch Rene wollte gehen. Im November bekamen wir außerdem einen Brief mit einer Einladung.

Auf dem Weg zum Friedhof liefen wir am Oliebollenkraam vorbei und sie verschenkten gerade die Reste des Abends bevor sie schlossen, wir bekamen also beide noch was Leckeres für unterwegs. Wir bedankten uns bei den Leuten und auf dem Weg zum Friedhof natürlich auch bei Joep, es war ein Geschenk von Joep, da waren wir uns sicher. Noch nie zuvor haben wir dort etwas geschenkt bekommen und sie stehen direkt neben dem Friedhof. Letzte Jahr standen sie nicht da und schon als wir sie dieses Jahr zum ersten mal sahen sagten wir dass es ein Geschenk von Joep ist. Ich esse so gerne Oliebollen und jetzt konnte ich sie immer ganz in der Nähe kaufen. Wir haben ein paar mal Oliebollen gekauft auf dem Weg zu Joep.

Wir sind extra etwas eher zum Friedhof gegangen weil wir erst noch zu Joep wollten. Von meiner Schwester hat er zu Weihnachten ein neues Stofftier für sein Grab bekommen und auch wir haben ihm ein Neues mitgebracht. Also bekam er zwei neue Stofftiere und wir haben alle Kerzen angezündet die auf seinem Grab stehen. Auch der kleine Junge der neben ihm liegt hat eine Kerze von uns bekommen. In meiner Vorstellung sind die beiden Freunde und ich wollte dass an diesem besonderen Tag an dem es doch um Kerzen geht auch für ihn eine Kerze brannte.

Wir gingen zurück zur Aula in der auch die Trauerfeier für Joep stattgefunden hat, mittlerweile leuchteten überall Kerzen, der Weg zur Aula war mit Kerzen und Fackeln erleuchtet, es war wirklich sehr schön. Wir wurden schon zuvor am Eingang des Friedhofes mit Handschlag empfangen und gefragt für wen wir kamen. Auch jetzt wurden wir wieder am Eingang der Aula gefragt für wen wir kamen, für Joep. Sie machte einen Hacken hinter seinen Namen, wir durften wieder seinen Namen nennen, etwas was wir nur so selten machen können, fast nie bei Leuten die uns und Joep nicht kennen. Alle Eltern nennen die Namen ihrer Kinder so oft aber Joeps

Bevor wir in die Aula gingen kamen wir in einen Warteraum, es war nicht der Raum in dem wir vor der Beerdigung mit Joep waren sonder der Raum an der anderen Seite in dem am 27. Februar auch alle Gäste für Joep empfangen wurde. Wir liefen also in den Warteraum und bekamen sofort etwas zu trinken angeboten. Und dann standen wir da, zwischen all den Leuten die wir nicht kannten, alle Sitzplätze waren besetzt, die einzige Ecke in die man sich stellen konnte war auch schon voll, wir mussten uns also in die Mitte des Raumes an einen grossen Tisch stellen wodurch wir immer jemandem den Rücken zukehrten. Wir fühlten uns verloren und waren viel jünger als alle anderen in dem Raum. Ich fühlte mich fehl am Platz, ich wollte und sollte hier nicht sein und trotzdem war ich genau dort wo ich hin gehörte. Niemand redete miteinander, nur mit ihren Partnern. Mit und mit füllte sich der Raum, neben älteren Menschen waren jetzt auch Kinder dabei und ich bemerkte plötzlich wie sich Erleichterung in mir breit machte. Es waren keine Babys oder dicken Bäuche da, etwas was für mich noch immer so konfrontierend und schmerzhaft ist. Auf der einen Seite war ich froh dass keine Schwangeren da waren, auf der anderen Seite dachte ich darüber nach was ich denn nächstes Jahr mache. Dann hoffe ich wieder ein Baby zu haben oder zumindest auch wieder schwanger zu sein, ob das anderen dann auch so weh tut? Aber ich werde gehen weil es dazu gehört, ich werde immer für Joep gehen und seine Geschwister werden mitkommen, es ist doch auch ihr Bruder.

Ein Mann kam zu uns, ein Sprecher wie sich heraus stellte und wir erzählten ihm von Joep. Er begleitete schon seit 40 Jahren trauernde Eltern und er schien uns zu verstehen, auch wenn er unseren Schmerz nicht kannte.

Nach einiger Zeit durften wir in die Aula, die 2. und 3. Reihen waren schnell besetzt, wir wollten nicht hinten sitzen also setzten wir uns ganz vorne in die erste Reihe. Rene wollte den Bildschirm gut sehen konnten also sassen wir auf den Plätzen auf denen wir auch bei Joeps Beerdigung sassen, die letzten freien Plätze vorne links. Neben uns sassen keine Eltern sondern Sprecher, Mitarbeiter und eine Sängerin. Irgendwie war es weniger heftig als ich dachte um wieder in diesem Raum zu sein, ich hatte keine Flashbacks oder so etwas obwohl ich mir wohl darüber im Klaren war dass Joep auch hier war, dass wo jetzt hinter uns eine Familie mit kleinem Kind sass vor fast 10 Monaten meine Schwester mit ihren Kindern sass.

Der Dienst war wirklich schön, vor uns stand ein Tisch mit Fotos, auch Joeps Foto stand dazwischen. Manche Fotos standen in einem Bilderrahmen, niemand hatte uns gesagt dass wir sein Foto in einem Rahmen mitnehmen sollten und ich fand es sehr Schade dass Joeps Foto nicht eingerahmt war. Nächstes Jahr wird es das wohl sein, dann weiß ich es besser. Der Tisch war voller Fotos, die meisten ohne Rahmen. Die Aula war voll, wie viele Menschen genau da waren weiß ich nicht aber es waren mindestens 50.

Es wurde gesungen und geredet. Zwischendurch wurden die Namen unserer Kinder genannt und durften die Eltern eine Kerze anzünden und vor das jeweilige Foto stellen.

Zuerst wurde das Lied 'precious child' gesungen, die Frau die das Lied gesungen hat war vermutlich eine ausgebildete Opernsängerin, zumindest hat sie unfassbar schön und gut gesungen. Meine Tränen liefen in Strömen, auch Rene weinte. Der Text des Liedes, die Art wie sie es sang und ihre Stimme waren so schön und so traurig.

Es wurde eine Rede gehalten von dem Mann mit dem wir schon zuvor geredet haben, er sagte ein paar Dinge die ich erkannte und die Rene und ich auch so empfinden, aber auch ein paar Dinge die wir nicht so erlebt haben. Jeder trauert anders sagt man und seine Beispiele waren der Beweis hierfür. Er sagte er hat in den Jahren gelernt dass man Trauende nicht therapieren kann, sondern dass man nur viel von Ihnen lernen kann und dass er seit Jahren immer mehr und immer wieder lernt und er sah uns dabei an. Ich fragte mich ob wir denn etwas gesagt haben was neu für ihn war, ob er auch von uns gelernt hatte. Seinem Ausdruck nach war das so. Er sagte außerdem dass das Wort 'verarbeiten' nicht richtig ist und das ist etwas dass ich auch schon oft gesagt habe. Verarbeiten hört sich an als ob ich aktiv etwas tun kann und wenn ich meine Arbeit gut mache dann ist danach alles wieder gut. Aber es wird nie wieder gut, Joep wird immer fehlen also ist das Wort 'verarbeiten' für mich nie genug, es ist so viel mehr als das. Aber was er dann sagte machte es nochmal deutlicher: Abfall wird verarbeitet aber sein Kind verarbeitet man nicht. BAM, ja dachte ich, das stimmt. Auf NL sagt man dass man dem Verlust einen Platz geben muss. Etwas was mich auch immer störte, was für einen Platz? Türe zu und fertig? Das stimmt auch nicht, man kann seinem Kind keinen Platz geben, es ist immer da, überall, nicht auf einem Platz. Und auch das Wort Verlust stimmt nicht, etwas was man verliert kann man wieder finden, aber ich kann Joep nicht mehr finden, er kommt nie wieder. Er wusste worüber er redet.

Es wurden noch ein paar Gedichte vorgelesen und mehr Lieder gesungen. Dann durften wir eine Kerze für Joep anzünden als sein Name, sein Geburtsdatum und Todestag vorgelesen wurde. Rene zündete die Kerze an und ich stellte sie vor Joeps Foto. Beim letzten Lied das gesungen wurde brach die Wahrheit dann über mich hinein. Auf einmal war der Schmerz wieder so groß, Joeps Foto steht da weil er tot ist, alle Menschen und Kinder auf den Fotos sind Tod. Alle Menschen hier vermissen ihr Kind und ich vermisse Joep. Ich weinte und Rene nahm mich in den Arm. Das einzige Taschentuch dass ich bei mir hatte hatte Rene schon benutzt aber es störte mich auch nicht, ich weinte in Renes Armen, auf dem gleichen Platz an dem ich auch vor 9,5 Monaten in Renes Armen weinte, ich weinte um Joep.

Danach gingen wir alle nach draußen mit der Kerze die wir zuvor angezündet hatten. Wir sollten die Fotos stehen lassen weil wir noch zurück kommen sollten um noch zusammen einen Kaffee zu trinken. Wir liefen nach draußen  und jetzt war ein Weg auf dem Friedhof mit Fackeln erleuchtet, wir liefen alle zu einem grossen Herz aus Kerzen dass bei den Kindergräbern aufgestellt wurde. Auch die Sängerin und der Mann der Klavier gespielt hatte waren da und sangen gemeinsam Alle standen wir zusammen um das Herz und setzten die Kerzen für unsere Kinder in das grosse Herz. Aber wir würden nicht in Den Haag wohnen wenn die Kerzen die wir hinstellten nicht innerhalb von einer Minute wieder ausgeblasen wären. Ich fand es nicht schlimm, ich stellte mir vor wie all die Kinder auf den Wolken darüber lachten.

Rene und ich gingen noch zu Joeps Grab, er hatte neue Stofftiere bekommen und die alten standen noch an der Bank. Ich wollte sie mit nach Hause nehmen und waschen. Wir verwahren sie, sie wurden Joep geschenkt auf der Beerdigung oder kurz danach. Als wir beim Grab waren brannte eine extra Kerze auf Joeps Grab und bei seinem kleinen Nachbarn brannten jetzt alle Kerzen. Alles war so hell und die Kerzen hier wurden nicht durch den Wind ausgeblasen. Ich freute mich so dass in dieser kurzen Zeit noch jemand da war, bei Joep war und ihm eine Kerze gegeben hat. Ich habe die Eltern seines kleinen Freundes nicht gesehen, sie waren nicht bei dem Treffen aber sie waren wohl am Grab. Ich freute mich so dass sie auch an Joep dachten und es gab mir ein warmes Gefühl dass sie sich sicher auch gefreut hatten dass ich eine Kerze angezündet habe für ihr Kind. Ich hockte vor Joeps Grab und weinte und weinte. Rene war auch am Ende seiner Kräfte und er wollte nur noch nach Hause also gingen wir nach Hause als ich wieder dazu in der Lage war. Wir holten nicht mehr Joeps Foto ab, wir konnten es nicht mehr. Wir gingen nach Hause und taten den Rest des Abends gar nichts mehr, wir hatten keine Kraft mehr, ich sass eine Stunde in meiner Winterjacke auf der Couch bevor ich die Kraft fand um ins Bett zu gehen.

Montag morgen fuhr ich weinend zur Arbeit. Ich sass 5 Stunden im Büro aber eigentlich tat ich nichts, ich konnte mich nicht konzentrieren. Nach der Arbeit fuhr ich zum Friedhof und holte Joeps Foto ab, ich hatte zuvor eine Email geschickt um Bescheid zu sagen dass ich es gerne abholen möchte. Ich habe noch mit der Dame geredet die auch am Abend zuvor da war und habe ihr noch Feedback gegeben was mir besonders gut gefiel und was mir nicht so gut gefiel. Sie war sehr froh und dankbar darüber und  wollte es auf jeden Fall weiterleiten und nächstes Jahr mit in die Planung einbeziehen. Wenn also nächstes Jahr etwas noch besser ist als dieses Jahr, dann haben wir das Joep zu verdanken. Lieber kleiner Joep.

12.12.2016

Precious Child

In my dreams, you are alive and well
Precious child, precious child
In my mind, I see you clear as a bell
Precious child, precious child
In my soul, there is a hole
That can never be filled
But in my heart, there is hope
'Cause you are with me still

In my heart, you live on
Always there never gone
Precious child, you left too soon
Tho' it may be true that we're apart
Joep will live forever... In my heart

In my plans, I was the first to leave
Precious child, precious child
But in this world, I was left here to grieve
Precious child, my precious child

In my soul, there is a hole
That can never be filled
But in my heart there is hope
And you are with me still

In my heart you live on
Always there, never gone
Precious child, you left too soon,
Tho' it may be true that we're apart
Joep will live forever... In my heart

God knows I want to hold Joep,
See Joep, touch Joep
And maybe there's a heaven
And someday I will again
Please know you are not forgotten until then

In my heart you live on
Always there never gone
Precious child, you left too soon
Tho' it may be true that we're apart
Joep will live forever... In my heart



08.12.2016

Traum

Heute Nacht habe ich wieder über Joep geträumt. Ich erinnere mich nur noch an Bruchstücke aber es war kein schlimmer Traum, es war kein Albtraum. Ich war wohl traurig als ich wach wurde, all die Liebe die ich in meinem Traum empfand war noch immer da und erinnerte mich schmerzhaft daran dass ich ihn nicht wirklich festhalten kann.

In meinem Traum war Joep tod, aber schon etwas länger. Ich sah ihn an und er war wunderschön, genauso wie er immer aussah. Plötzlich sagte jemand dass er jetzt so lange tot ist dass er nicht mehr so hübsch ist und ich zweifelte ob ich ihn nog sehen wollte. Er war in ein Tuch eingewickelt und jemand sagte mir ich könnte ruhig gucken. Rene guckte zuerst und sagte mir auch dass ich ruhig gucken kann. Jemand schlug das Tuch auf Seite und ich sah ihn. Die Haut an seiner Brust sah aus als ob er Ausschlag hätte und auch seine Lippen waren dunkel, fast schwarz. Ich strich ihm über seinen Kopf, ein paar mal und auf einmal öffnete er seine Augen, die Krankenschwester die bei uns war konnte es gar nicht glauben. Sobald meine Hand nicht mehr auf seinem Kopf lag waren seine Augen wieder zu, also streichelte ich ihn weiter und er machte seine Augen wieder auf und fing wieder an zu atmen. Alle Zeichen des Todes an seinem Körper verschwanden ganz schnell und er war wieder wunderschön. Ich hob ihn auf und drückte ihn fest an mich, davon überzeugt dass einzig und allein meine Liebe und Wärme ihn retten könnte und dass alle unrecht hatten.

Ich wachte auf und erinnerte mich noch an alle Details des Traumes. Ich weiß noch dass ich es eigentlich aufschreiben wollte aber es war mitten in der Nacht und ich war zu müde. Sofort erinnerte ich mich an etwas das ich mal gelesen habe: Eine Mutter bekam Zwillinge, viel zu früh mussten sie geholt werden und nur ein Baby überlebte. Als man ihr das tote Baby an die Brust legte fing es plötzlich wieder an zu atmen. Es war ein Wunder, ein echtes Wunder. Aber für mich war es nur ein Traum...

Joep wacht nie mehr auf, meine liebe hat ihn 'nur' 13 Stunden kämpfen lassen, sie konnte ihn nicht retten, wir konnten ihn nicht retten. Niemand konnte ihn retten. Irgendwann werde ich von Joep als gesunden kleinen Jungen träumen, irgendwann wird er in meinen Träumen leben.

05.12.2016

Ich bin eine unsichtbare Mama

Ich bin Mutter. Ich bin Joeps Mama, als Joep geboren wurde wurde aus einer Schwangeren eine Mama. In der Sekunde in dem ich ihn das erste mal festgehalten habe wusste ich was Mama sein bedeutet. All die Liebe die mich in diesen Moment überströmt hat ist unbeschreiblich. Das verstehen wohl nur andere Mamas. Sofort hat das 'Mamasein' eingesetzt und natürlich war Joep das schönste Baby dass ich je gesehen habe. Ich versuche ihn auch jetzt noch objektiv zu betrachten aber er ist und bleibt der Schönste für mich. Auf einmal war ich der stärkste Mensch der Welt. Für Joep wollte ich die Welt besser machen und aus ihm den glücklichsten Jungen der Welt machen und ich habe keine Sekunde daran gezweifelt dass ich das kann.

Ich bin jetzt seit 9,5 Monaten Mama aber niemand sieht es mir an. Ich habe kein Kind auf meinem Arm. Ich habe keine Flecken auf meinen Klamotten, ich habe keine Augenringe weil ich nicht genug schlafe. Ich habe keine Wickeltasche bei mir, Ich habe keinen Maxicosi im Auto. Niemand sieht mir an dass ich Mama bin.

Joep wurde Montags geboren, schon Freitags war mein Bauch weg und man sah mir nicht mehr an dass ich gerade Mama geworden bin. Ich war erstaunt wie schnell es ging, Mittwochs sah ich noch aus als sei ich im 6. Monat schwanger und Freitag morgen stehe ich auf und mein Bauch war weg. Als wir Mittwochs, den Tag nach Joeps Tod nach Hause kamen war aus mir plötzlich eine unsichtbare Mama geworden. Mein Bauch war im Verhältnis sogar flacher denn je, ja ich war noch dicker als vor der Schwangerschaft aber das Fett war anders verteilt und wenn ich stand war mein Bauch einfach flach. Kein einziger Schwangerschaftsstreifen auf meinem Bauch zeigte dass ich ein grosses und kräftiges Kind bekommen habe. Mein Körper erholte sich noch von der Geburt aber niemand sah mir an dass ich gerade erst ein Kind geboren habe, weil ich kein Kind habe dass ich zeigen kann.

Ich bin Mama, aber eine Mama mit leeren Händen. Ich weiß Sachen übers Mama sein die andere Mütter nicht wissen. Ich weiß wie es sich anfühlt sein Kind zu vermissen, es nicht versorgen zu dürfen. Ich weiß so viel über die Trauer um meinen Joep. Aber ich weiß nicht wie es ist nächtelang nicht zu schlafen weil Joep weint. Ich weiß nicht wie es sich anfühlt ein Kind zuhause zu haben. Ich bin Mama, aber ich bin eine unsichtbare Mama. Niemand sieht mich als Mama.

Wenn ich draußen bin, wenn ich rum laufe, niemand sieht an mir dass ich eine Mama bin. Ja wir sind noch jung, viele Leute in unserem Alter haben noch keine Kinder, es ist nicht ungewöhnlich dass man in unserem Alter noch keine Kinder hat. Niemand fragt mich ob ich Kinder habe, niemand sieht mir an dass ich Mama bin. Ich bin eine unsichtbare Mama mit einem unsichtbaren Kind auf meinem Arm. Mein unsichtbares Kind trage ich immer bei mir. Er sitzt immer auf meinem Arm, ich drücke ihn fest an mein Herz, denn da gehört er hin.

Es vergeht kein Tag an dem ich nich an meinen lieben schönen Joep denke und an dem ich ihn nicht vermisse. Es vergeht kein Tag an dem ich ihn mir nicht zurück wünsche und es vergeht keine Woche in der ich mich nicht frage wozu ich das alles mache, in der ich nicht denke ich will keine unsichtbare Mama sein. Ich hab nie darum gebeten, ich wollte das nicht. Ich will das nicht!

Aber mich hat niemand gefragt, ich hatte keine Wahl. Ich bin unsichtbar und Joep bleibt immer mein unsichtbares Kind an meiner Hand.

30.11.2016

Wenn dein Name genannt wird aber ein anderer Joep gemeint ist

Joep, über deinen Namen haben wir so lange nachgedacht. Es ist ein alter niederländischer Name den man auch auf Deutsch gut aussprechen kann wenn man ein wenig der niederländischen Sprache mächtig ist und weiß dass 'oe' 'u' ausgesprochen wird.

In Deutschland gibt es keine Joeps, ich kenne nicht mal einen Jupp. Der Lieblingsopa meiner Mutter wurde Jupp gerufen. Das war aber nur ein besonderer Zufall der deinen Namen noch besonderer machte. Ich kannte seinen Namen nicht denn Mama erzählte immer nur über ihren Opa, seinen Namen hatte ich vergessen.

In Holland gibt es mehr Joeps aber ich kenne außer dir. Ich habe nie einen anderen Joep kennen gelernt. Als Papa ein kleiner Junge war hatte er einen besten Freund der Joep hieß. Mehr Joeps gab es in unseren Leben nicht. Seitdem du geboren wurdest habe ich nur einmal im Radio deinen Namen gehört. Ich erschrak aber es tat mir überraschender Weise nicht so weh wie ich gedacht hätte.

Gestern im Büro sass dann jemand neben mir der in ein Gespräch über einen Joep verwickelt war. Ich hörte deinen Namen, immer und immer wieder aber sie sprachen nicht über dich. Ich war wie in Trance als meine Kollegin lachend 'Joepie de Poepie' sagte. Dein Name gefiel uns so gut weil er sich immer fröhlich anhört und er so einfach gereimt werden kann. Wir nennen dich immer Joepisnoepi. Aber jetzt wird also ein anderer Joep 'Joepie de Poepie' genannt. Niemals werden Leute über ihren Kollegen Joep reden und damit dich meinen. Mein Herz brach und ich weinte, meine Gefühle übermannten mich und ich konnte nicht mehr aufhören zu weinen. Auf einmal vermisste ich dich so sehr und war der Schmerz den ich fühlte so intensiv.

Meine Kollegin die 'Joepie de Poepie' sagte entschuldigte sich sofort als sie mich weinen sah. Vor 22 Jahren verlor sie ihren Sohn Joeri während der Geburt. Sie sagte dass doch gerade sie es besser hätte wissen sollen und sie einfach nicht nachgedacht hatte. Ich war ihr keinen Moment böse, ich weinte nicht weil sie deinen Namen reimte und jemand anderen meinte sondern weil ich dich so vermisse mein lieber Joep. 

Eine andere Kollegin fragte mich ob ich jetzt dein schönes Gesicht vor mir sehe und an dich denke wenn ich ständig deinen Namen höre, ich sagt dass ich gar nicht dachte, ich fühlte nur und kämpfte gegen meine Tränen. Ein Kampf den ich nicht gewinnen konnte. Letzte Woche war so schwer für mich und diese Woche fließen die Tränen noch so einfach. Die Traurigkeit packt mich und reißt mich ohne Mühe zurück, ganz tief in den Schmerz.

Zufällig las ich gestern Morgen bevor das geschah ein Stück von einer anderen Mama die den Namen ihres Sohnes hörte und es ihr so weh tat den Namen zu hören. Ich sagte ihr dass es sicher ein Zeichen von Roan war. Ich wollte diese schmerzhafte Erfahrung für sie zu etwas Schönen machen. Natürlich war es ein Zeichen von ihrem schönen kleinen Sohn, für mich war das gar keine Frage. Diesen Optimismus brauchen wir zum überleben.

Ein paar Stunden später sass ich also weinend im Büro und ich dachte nicht an meine eigenen Worte. Der Schmerz übermannte mich, ich fuhr nach Hause und erst im Auto konnte ich aufhören zu weinen und kam ich ein wenig zur Ruhe.

Heute morgen erinnerte ich mich wieder daran was ich Elizabeth sagte. Es war ein Zeichen! In dem Moment dachte ich dass es auch ein Zeichen von meinem Joep war. Wer reimt denn schon außer uns deinen Namen? Das machen wir. 'Joepipoepi' haben wir auch oft gesagt bevor du geboren wurdest!

Heute schaffe ich diese erst so schmerzhafte Erfahrung so hin zu biegen dass es eine schöne Erfahrung ist. Joep sagte 'Hallo' so wie nur er es kann, es war dein Zeichen.

Als ich gestern nach der Arbeit nach Hause kam schien die Sonne noch gerade so ins Schlafzimmer. An meinem Schlafzimmerfenster hängt ein Regenbogendiamant und das ganze Schlafzimmer war voller kleiner Regenbögen. Mir war sofort klar dass das ein Zeichen von Joep ist, es war so tröstend. Regenbogen erkenne ich immer sofort als dein Zeichen, auch wenn es nur eine Reflection in Regenbogenfarben ist. Dann sage ich dir immer hallo und dass ich dich liebe. Aber auch deinen Name werde ich in Zukunft versuchen als Zeichen zu interpretieren. Dein wunderschöner Name der so zu dir gehört, warum sollte der mich nicht glücklich machen!

Mein lieber schöner Joep. Ich liebe dich!

24.11.2016

Joepkissen

Kurz nachdem Joep gestorben ist haben wir von meinen Eltern ein Kissen geschenkt bekommen auf dem ein grosses Foto von Joep ist.

Bis heute schlafen wir jede Nacht mit dem Kissen im Arm. Einer von uns hält das Kissen immer fest, auf diese Art und Weise können wir doch noch mit Joep kuscheln. So anders als wir uns das vorgestellt haben aber es tut uns wohl gut. Das Kissen ist weich, lange nicht so weich wie Joep war aber wir fühlen uns nachts geborgen wenn wir das Kissen im Arm halten.

Außerdem haben wir die kleine Decke unter der Joep immer lag noch zwei mal gekauft. Joep wurde unter dieser Decke beerdigt und schläft jetzt für immer unter dieser Decke. Anfangs schliefen wir auch immer unter den Deckchen. Erst hatten wir nur eine aber als Rene eine Woche für die Arbeit nach Serbien musste habe ich noch eine gekauft. Ich wollte dass Rene die Decke mitnimmt weil er sie doch braucht. Für ihn war es viel schwerer in Serbien als für mich alleine zuhause. Aber sobald die Decke aus dem Haus war brauchte ich sie auch also habe ich sie nochmal gekauft. Ich brachte Rene zum Flughafen und fuhr erst zum Ikea bevor ich nach Hause fuhr. Ich  musst sogar warten bis der Ikea aufmachte aber das war kein Problem. Jetzt liegen die Decken auf dem Kopfstück des Bettes aber wir benutzen sie nur noch wenn es und richtig schlecht geht.

Das war Anfangs unsere einzige Medizin. Wenn es uns richtig richtig schlecht ging lagen wir auf dem Bett, Joeps Kissen im Arm, Joeps Kätzchen in der Hand und Joeps Decke über uns. Dann fühlten wir uns immer etwas besser.

23.11.2016

Die Achterbahn

Wenn ich mich für eine Metapher entscheiden muss die mein Leben beschreibt dann ist es die Achterbahn.

Mein Leben ist ein einziges auf und ab. Manchmal fühlt sich die Achterbahn eher an wie ein Kinderkarussel, dann geht es mir Tage lang gut aber dann ganz plötzlich und aus dem nichts stürze ich wieder ab und falle so tief dass ich mich erschrecke. Gestern war so ein Tag, ich wurde wach und mir war sofort klar dass es ein schlechter Tag ist. An solchen Tagen vermisse ich Joep noch mehr, dann ist der Schmerz jede Sekunde da, dann weigert mein Kopf sich an etwas anderes als an Joep zu denken. Dann kann ich nicht stark sein, dann fließen meine Tränen unaufhörlich und ich kann nicht dagegen tun ausser meine Kopfschmerzen mit Paracetamol bekämpfen.

Heute vor 9 Monaten kämpfte Joep in meinen Armen um sein Leben. Es war ein ungerechter Kampf den er nicht gewinnen konnte weil niemand ihm dabei helfen wollte/konnte. Ihm war sicher nicht bewusst dass er sterben musste, er hat so lange gekämpft und sich dagegen gewährt. Joep hatte keine Chance.

Und jetzt nenne ich mein Leben eine Achterbahn weil der tiefe Schmerz mich immer wieder so plötzlich überrascht und mich überfällt. Es ist eine Achterbahnfahrt ohne echte Höhen, ohne Glücksschreie und ohne Adrenalin das für diesen glücklichen Rausch sorgt in dem man denkt dass man alles kann. Oft fühle ich mich als ob ich nichts kann, dann habe ich keine Energie. Ich fühle mich abwechselnd ok und schlecht, manchmal geht es mir fast gut. Aber 'gut' ist ein Wort dass ich fast nie benutze. Wenn ich früher sagte dass es mir gut ging ging es mir so viel besser als jetzt. Richtig gut geht es mir nicht mehr. Richtig gut wird es mir nie wieder gehen denn Joep wird mir immer fehlen. Mein Leben wird nie wieder gut denn Joep kommt nie wieder zurück.

Aber auch meine Gefühle für Joep sind eine Achterbahn. Diese unfassbar starke Liebe die ich immer für ihn empfinde, dieser Stolz der dazu gehört wenn ich an ihn denke wechselt sich ab mit dieser tiefen Traurigkeit.

Anfangs war mein Leben eine Achterbahnfahrt in der ich Angst um mein Leben hatte. Eine Achterbahnfahrt von der ich wusste dass andere sie vor mir nicht überlebt haben, also habe ich mich am Bügel festgeklammert und ihn nicht mehr losgelassen, Rene sass neben mir und hat gut aufgepasst dass ich auch genug Kraft hatte um mich zu halten und wenn ich Mal keine Kraft hatte hat er mich festgehalten. Mittlerweile ist die Achterbahnfahrt nicht mehr gefährlich. Ich habe mich daran gewöhnt und sie ist jetzt mein Leben. Rene sitzt noch immer neben mir auf dieser Fahrt. Zusammen gehen wir durch hohen und Tiefen. Wenn es dem anderen schlecht geht geht es einem selbst auch sofort schlechter. Wir fahren die selbe Strecke.

Joep hat uns auf diese Achterbahn gesetzt und ich werde niemals absteigen können. Das Gefühl zu fallen wird immer Teil meines Lebens sein. Aber ich weiss es dass nach dem Fall auch wieder hoch geht. Es ist Joeps Achterbahn und ich will gar nicht absteigen. Joep wird immer Teil meines Lebens sein und mit ihm auch diese Achterbahn.

Früher liebte ich Achterbahnen. Vielleicht schaffe ich es ja auch irgendwann diese Achterbahn zu lieben. Schon jetzt wünsche ich mir manchmal wenn es mir Wochen lang ok ging dass ich nochmal fallen kann. Damit ich weiss dass ich all diese Gefühle noch für Joep habe und ich sie noch fühlen kann. Er verdient doch jedes Gefühl. Ich weiss genau dass wenn ich falle ich nur wieder zurück nach oben will aber wenn ich zulange oben bin sehne ich mich auch nach der Tiefe und dem Schmerz der unten auf mich wartet.

Wie es sich für eine gute Achterbahn gehört falle ich schnell und tief. Wenn ich dann wenn ganz am Boden bin merke ich irgendwann wie es ganz ganz langsam wieder hoch geht. Heute morgen geht es wieder langsam bergauf. Wie lange es dauert bis ich oben bin weiss ich nicht. Ob ich in einmal ganz nach oben fahre oder ob ich vorher nochmal falle weiss ich nicht.

Joep ich liebe dich von ganzem Herzen. Mein Schönster, mein Perfekter! Ich lebe nicht ohne dich, ich lebe mit dir. Du bist immer bei mir, auf deine Art und Weise gehörst du immer dazu.