27.12.2016

Erste Weihnachten ohne Joep

Es ist Weihnachten und es ist alles so anders als es sein sollte. Vor einem Jahr haben wir uns ausgemalt wie schön Weihnachten doch sein würde mit Joep. Die Kinder meiner Schwester waren gerade geboren worden und ich war hoch schwanger. Dieses Jahr sollten sie zusammen Geschenke auspacken, alle 3 ungefähr gleich groß. Die Jungs von meiner anderen Schwester sind jetzt fast 3 Jahre alt. 5 Kinder innerhalb von 2 Jahren... Weihnachten hätte ein großes Kinderfest werden sollen.
Und irgendwie ist es das ja jetzt auch noch. 4 Kinder unterm Weihnachtsbaum bei Oma und Opa. 4, nicht 5.

Auch meine Schwägerin hat dieses Jahr ein Kind bekommen und auch unter dem Weihnachtsbaum meiner Schwiegereltern liegt jetzt ein Baby das nicht unseres ist. Und jeder freut sich über diese Kinder, spielt mit ihnen, hält sie, stellt Fotos von sich und den Kindern online... Und genau das ist was so weh tut. Zu sehen wie jeder so glücklich ist wegen den kleinen Kindern und zu wissen dass niemand so glücklich ist weil er mit Joep spielt. Das Glück der anderen ist noch schmerzhafter wenn man sieht wie glücklich jeder über diese Kinder ist. Alleine mit den Kindern und ihren Eltern schaffe ich, aber sobald jemand anderes dabei ist tut es mir zu weh. Es tut zu weh zu sehen wie glücklich Omas, Opas, Tanten und Onkel sind wenn sie bei den Kindern sind. Das ist mehr als ich ertragen kann.

Der Gedanke an Weihnachten hat mir das ganze Jahr schon Angst gemacht... Wie sollen wir das schaffen? Anfangs hatten wir noch die Hoffnung dass ich mit dicken Bauch unterm Baum sitzen werde und es uns gut genug ginge aber im Laufe des Jahres wurde es jeden Monat deutlicher... Schwanger werden vor Weihnachten hat nicht geklappt. Stark genug sein um Weihnachten zu feiern auch nicht.

Immer wieder sagte ich zu Rene dass ich Weihnachten nicht feiern will. Irgendwann merkte auch Rene dass es für uns das Beste ist wenn wir nicht feiern. Seine Idee war in Urlaub zu fahren. Irgendwo hin wo es sich auch gar nicht anfühlt wie Weihnachten. Also haben wir vor ein paar Monaten eine Woche Teneriffa gebucht. Kein Urlaub auf den wir uns freuen konnten. Wir wussten wir fliehen vor Weihnachten. Wir wollen nichts von Weihnachten mitbekommen und darum flogen wir in Urlaub. 

Es war so komisch weg zu gehen. Schon morgens ging alles schief was schief gehen konnte. Um halb 7 mussten wir eigentlich schon getankt haben und unterwegs sein. Wir hatten vergessen einen Wecker zu stellen und um kurz nach 6 wurde ich wach und realisierte zum Glück sofort dass ich keinen Wecker gestellt hatte. Also gingen wir duschen, packten noch die letzten Sachen zusammen, vergassen unsere Brötchen im Ofen und fuhren ohne zu frühstücken um halb 7 los. 

Wir hatten am Vortag einen billigeren Parkplatz gebucht für den Urlaub so dass wir mit dem Auto fahren konnten. Von diesem Parkplatz aus sollten wir mit einem Bus zum Flughafen gebracht werden. Wir waren nur 5 Minuten zu spät an der Adresse zu der wir geschickt wurden aber dort konnten wir keinen Parkplatz finden. Wir fuhren eine Runde und fanden dann ganz klein doch noch ein Schild und wir dachten den richtigen Parkplatz gefunden zu haben. Wir sollten uns an der Intercom melden aber niemand antwortete. Wir riefen die Nummer an die neben der Intercom stand aber so früh Sonntag morgens ging auch niemand ans Telefon. Ich wollte schon zum Flughafen fahren und dort einfach parken als sich doch noch jemand meldete und die Schranke öffnete. 2 Minuten später sassen wir schon im Bus auf dem Weg zum Flughafen. Alles hatte geklappt, wir waren zeitig am Flughafen und sassen zeitig im Flieger.

Der Flug war komisch, schon am Flughafen war die Wartezeit sehr komisch. Ich wollte plötzlich nicht mehr weg. Weg von Joep, es fühlte sich falsch an. Warum sollte ich weg gehen? Weg von allem was mich doch mit Joep verbindet. Weg von seinem Grab, seinen Sachen? Ich hatte ein paar von seinen Sachen im Gepäck. Im Flugzeug sass ich mit Joeps Kissen im Arm und die Zeit verging von selbst. Wir waren müde, unfassbar erschöpft. Ich hatte Kopfschmerzen und als wir endlich im Hotel waren wollten wir eigentlich nur ins Bett. Aber wir hatten Hunger und mussten außerhalb etwas essen gehen. Außerdem hatten wir nichts zu trinken im Hotel und ich wollte endlich was gegen diese Kopfschmerzen nehmen, ich brauchte ein Glas Wasser. Also gingen wir sofort wieder raus und assen im Restaurant direkt gegenüber dem Hotel. 

Am nächsten Tag ging es uns wieder etwas besser aber es war kein Urlaub so wie es früher war. Das Gefühl von Flucht lag in der Luft. Wir waren nicht in Urlaub um die Insel zu erkunden, wir waren hier um kein Weihnachtsgefühl zu haben und abgesehen davon dass die Kirchenglocken jeden Tag mehrmals Weihnachtslieder spielten und überall Weihachtsbäume standen klappte das überraschend gut. Das Wetter war okay, es fühlte sich an wie Sommer und nicht wie Weihnachten. 

Der 23. war schwer für mich. Zum ersten Mal konnte ich an Joeps Todestag nicht an sein Grab, ihn nicht besuchen. Aber der Tag verging und war nicht viel schlimmer als andere. Der 24. war unser letzter kompletter Tag und wir hatten beschlossen einen Ausflug zu machen. Wir waren im Siam Park, ein großer Wasserpark und es machte uns wirklich Spaß. Auf den Wasserrutschbahnen sassen wir zusammen in Schwimmreifen und anstatt einfach so zu schreien fing ich an 'Ich liebe Joep' zu schreien und Rene schrie mit mir mit. Joep war bei uns, zu Hause feierte man Weihnachten aber wir verpassten Weihnachten und dachten kaum daran. Nachdem wir alle Rutschen versucht hatten waren wir sehr erschöpft. Es war kalt, trotz Neoprenanzug zu kalt und wir gingen Mittags wieder zurück. Wir fuhren mit dem Bus zum Strand um dort zu essen. Anfangs fühlte es sich an als ob die Tage gar nicht vergehen und plötzlich war unser Urlaub vorbei. Anfangs hatte ich Angst, wie wird es sein, so weit weg von zu Hause? Der Urlaub war besser als erwartet, es fühlte sich an wie Urlaub und nicht nur wie eine Flucht. Aber jetzt war der Urlaub vorbei und ich hatte Angst vor zu Hause. Wie wird es sein? Zu Hause fühlte sich immer sicher und richtig an aber jetzt hatte ich Angst davor wie es sich wohl anfühlt zu Hause zu sein wo die letzten Monate doch so viel Traurigkeit herrschte. 

Ich bin froh dass wir in Urlaub gefahren sind, es fühlte sich viel richtiger an als ich erwartet hatte. Rene und meine Beziehung war nie schlecht oder so etwas aber die letzten Monate hat Rene Vollzeit gearbeitet und war abends immer total erschöpft. Seit Monaten hatten wir kaum Zeit mehr für einander und wir vermissten diese Zeit mehr als uns bewusst war. Die Woche tat uns gut, endlich konnten wir uns erholen. Ich weinte auch im Urlaub um Joep, wir haben viel über Joep geredet, er war so anwesend. Wir hatten viel mehr Zeit über ihn zu reden und es tat gut.

In der letzten Nacht träumte Rene zum ersten mal von Joep. Joep sagte: "ich liebe dich Papi".

Am 25. flogen wir nach Hause und auch zu Hause fühlte sich einfach richtig an. Zu Hause angekommen bemerkte ich dass ich scheinbar vergessen hatte die Spülmaschine an zu stellen und alles war verschimmelt. Den Gefrierschrank hatte ich morgens nicht richtig zu gemacht als ich die Brötchen in den Backofen legte und der war total zugefroren und musste enttaut werden aber sonst war zu Hause alles in Ordnung. 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen