29.03.2017

1. Trimester

Das erste Trimester haben wir geschafft.

Aber es war so anders als ich es mir vorgestellt habe, viel schwerer, heftiger. Ich hatte gehofft dass das Glück mit einer erneuten Schwangerschaft wieder zurück kommt aber so schnell ging das nicht. Das erste Trimester stand vor allem im Zeichen von nicht wahr haben können/wollen, Müdigkeit, Trauer und Ängsten.

Mein Bauch blieb flach, ich fühlte mich nicht schwanger, ich fühlte mich krank, man sah mir nicht an dass ich schwanger war und dafür war ich dankbar. Ich war noch nicht so weit um viel über meine Schwangerschaft zu reden. Natürlich freute ich mich auch dass ich endlich wieder schwanger war aber diese Freude stand nie im Vordergrund. So viele andere Gefühle die so viel dominanter waren haben mein erstes Trimester bestimmt.

Wofür ich dankbar bin ist dass ich all diese Gefühle annehmen und akzeptieren konnte, dass obwohl mir jeder sagte ich müsse auch genießen ich selbst nie das Gefühl hatte dass es nicht ok ist wie ich mich fühlte. Ich habe mich oft verteidigt und versucht zu erklären wie es mir geht. Mich störte es wenn jmd fragte wie es Pietje geht. Was soll ich denn darauf antworten? Meine grösste Angst war die ganze Zeit dass das kleine Herzchen nicht mehr schlägt. Ich wusste nie wie es dem kleinen in meinem Bauch geht. Also was sagte ich? Manchmal dass ich es nicht weiß und dass ich hoffe dass alles gut ist. Manchmal wich ich der Frage aus und sagte dass ich denke dass das Baby gerade schwimmt. Tod oder lebendig dachte ich dann aber das sagte ich nicht. Fast nie, nur zu Rene. Rene war zum Glück immer viel positiver als ich, das tat mir gut. Er hatte natürlich auch Ängste, die ich verstärkte, aber seine Positivität färbte auch auf mich ab.

Natürlich hatte ich nicht nur Angst, es gab auch Momente in denen ich mich freute und in denen ich sicher war dass alles gut ist, zumindest für den Moment. Das war vor allem der Fall nach jedem Ultraschall den ich hatte. Ein paar Tage ging es mir dann gut und ich vertraute darauf dass alles gut ist. Aber dann musste ich wieder Wochen warten und ich googelte. Las darüber dass das Baby im Bauch sterben kann ohne dass ich sofort eine Fehlgeburt habe, sah YouTube Videos von Müttern die gerade die Diagnose bekamen dass ihr Baby schon seit 2 Wochen nicht mehr lebte. Warum YouTube mir solche Videos vorschlägt? Warum ich sie dann auch noch echt anklickte? Ich weiß es nicht... Aber es machte mir Angst. Im letztens Jahr ging doch immer alles schief, warum würde es jetzt auf einmal nicht schief gehen? Ich bereitete mich psychisch aufs Schlimmste vor um es verkraften zu können und hoffte gleichzeitig auf das Beste.

Menschen sagten mir so oft: Diesmal wird alles gut! Ich fühle es. Auch das machte mich wütend, wieso sagt man mir sowas? Hast du bei Joep gefühlt dass es nicht gut wird? Nicht mal ich als Mama habe das gefühlt, warum denkst du dass du jetzt auf einmal in die Zukunft schauen kannst? Was soll mir das geben? Es hilft mir nicht, ich ärgere mich nur über die Dummheit solcher Kommentare. (Ich weiß dass sie gut gemeint sind aber sie können mich nicht beruhigen, sie sind so naiv, ich kann diese Schwangerschaft einfach nicht mehr naiv sein und ich will auch nicht dass andere das sind) Niemand kann so etwas fühlen. Also sagte ich dass ich es hoffe, ich hoffe dass alles gut geht. Ich sagte dass wir es verdienen und jeder stimmte mir zu. Wir verdienen ein gesundes Kind. Wir verdienen dass das Glück zurück kehrt.

Am Ende des 1. Trimesters hatten wir noch einen Ultraschall. Ich hatte solche Angst weil ich in der Woche zuvor oft versucht habe den Herzton zu finden. Von der Schwangerschaft mit Joep hatte ich noch einen Angelsound und dieses Gerät war damals so toll für uns. Wir haben es so genossen Joeps Herz zu hören. Wenn ich es mal nicht finden konnte machte ich mir nie Sorgen, ich war so überzeugt davon dass alles gut war und es meine eigene Unwissenheit war die die Ursache war. Dann legte ich das Angelsound weg und war trotzdem die glückliche enthousiaste schwangere Imke, ich dachte mir das nächste mal vielleicht.

Dieses mal dachte ich also: Bei Joep hab ich das Herzchen um die 11 Wochen gehört, ich versuche es auch jetzt ich wollte es Rene hören lassen, ich wollte es hören, es genießen. Ich dachte noch zu wissen wie ich suchen muss aber ich fand nichts. Das erste mal machte ich mir wenig Sorgen, es wird wohl an mir liegen, es ist noch zu früh. 2-3 Tage später dachte ich dann dass es jetzt vielleicht doch klappen kann und ich versuchte es wieder, wieder in der Überzeugung dass es mir gut tun wird, ich freute mich richtig es endlich zu hören. Wieder fand ich nichts und 2 Tage später googelte ich dann ab wann andere denn das Herzchen hören konnten. Ich schaute Videos auf YouTube wo sie das Gerät ansetzen um den Herzschlag zu hören. Das war dann der Moment in dem mir ein Video vorgeschlagen wurde in dem eine Frau erfuhr dass ihr Baby gestorben ist, kein Herzschlag... Anfangs waren sie so glücklich, der Mann filmte nur um dann zu hören dass das Baby schon seit 2 Wochen tot ist. Also suchte ich das Herzchen wieder aber ich fand es nicht und das Video ging mir nicht mehr aus dem Kopf.  Ab jetzt war meine Angst grösser, nicht durch den Angelsound sondern durch das Video. Ich suchte alle 2-3 Tage aber das einzige was ich fand war ein Rauschen von dem ich hoffte dass es die Nabelschnur sein könnte. Es war ein statisches Rauschen ohne Herzschlag, es gab mir ein wenig vertrauen. Was soll den sonst so Rauschen? Ich gab es wieder auf, ich fand einfach keinen Herzschlag und wollte mich auch nicht verrückter machen als ich schon war, Ich suchte nie länger als 3-4 Minuten, nie öfter als 1 mal alle 2-3 Tagen.

Dann war es soweit. ich war 12,5 Wochen schwanger und ich hatte einen Ultraschall. Alles in mir sagte wenn es jetzt ok ist, dann kannst du endlich vertrauen. Dann ist die kritische Zeit offiziell vorbei. Ich lag auf der Liege und mein Herz schlug so heftig dass ich es in meinem ganzen Körper fühlte. Ich sah mein Baby, ich sah ein Herzchen schlagen und langsam wurde ich ruhiger. Ich wusste das ist das Ende meines ersten Trimesters. Die nächsten Tage wird es mir besser gehen. Ich werde weniger müde sein, ich werde mehr Vertrauen haben, mein Bauch wird wachsen. Und so war es auch (zumindest bis jetzt). Die Chance dass es jetzt noch schief geht liegt bei 1%. Viel mehr als die Wahrscheinlichkeit dass Joep nach der Geburt noch sterben würde aber 1% ist wenig und ich versuche es entspannt zu sehen. 1% ist (fast) nichts...

Abends gingen Rene und ich essen, ganz spontan weil wir zu müde waren zu kochen und außerdem hatten wir ja was zu feiern. Ich hatte ein Baby in meinem Bauch, etwas kleiner als eine Kiwi und heute wusste ich sicher dass es lebt! Im Restaurant sagte ich plötzlich zu Rene dass ich mich zum ersten mal seit mehr als einem Jahr für einen kurzen Moment wieder ein bisschen glücklich fühle. Auf einmal wurde es mir bewusst. Endlich war das eingetreten worauf ich so gehofft hatte bei dieser Schwangerschaft.

Diese Schwangerschaft bringt also doch ein wenig Glück zurück in unser Leben. Der Ultraschall war Freitag, heute ist Mittwoch. Bis jetzt habe ich den Angelsound nicht mehr benutzt. Ob ich ihn wieder benutze? Vielleicht! Aber nicht mehr aus Sorge, nicht mehr so früh in der Schwangerschaft.  Bei Joep benutzte ich es nur bis zu dem Tag an dem ich ihn fühlte, danach war der Kontakt so stark dass ich sein Herzchen nicht mehr brauchte um mich extra verbunden zu fühlen. Ab 16 Wochen fühlte ich ihn regelmäßig. Ich bin jetzt 13,5 Wochen schwanger. Ich hoffe dass ich die Geduld habe es nicht zu benutzen, oder dass wenn ich es benutzte ich zumindest das Herzchen finde (Und wenn das eintritt werde ich es öfter benutzen, der Herzschlag deines Kindes ist einfach das schönste Geräusch das ich mir vorstellen kann). Bis jetzt habe ich den Angelsound immer benutzt weil ich dachte: Wenn ich das Herzchen jetzt höre, dann geht es mir besser, dann kann ich mich vielleicht entspannen.... Ich muss dazu sagen dass meine Ängste die ich ja eh schon hatte nicht grösser wurden als ich  keinen Herzschlag fand. Wenn das so gewesen wäre hätte ich es nicht so regelmäßig versucht. Es war nicht schlecht für mich aber es gab mir halt auch nicht die Entwarnung die ich in dem Moment brauchte.

Jetzt bin ich also Anfang des 2. Trimesters und es geht mir besser. Ich bin weniger müde, habe etwas mehr Energie. Endlich glaube ich wieder an das was ich das ganze letzte Jahr schon wusste. Ein neues Baby ist die einzige Medizin, der einzige Weg wieder Glück in mein Leben zu bekommen. Und das tut Pietje jetzt auch, wir sind wieder ein kleines bisschen glücklich. Dieses Gefühl verändert die Gefühle der Traurigkeit nicht, die bleiben gleich, aber es gibt jetzt halt auch Momente die etwas besser sind. Kleine Momente, aber ich denke dass das in Zukunft immer mehr werden. Irgendwann werde ich wohl wieder sagen dass ich glücklich bin. Es wird nie wieder gut, Joep wird immer tot sein. Aber glücklich werden, das können wir schaffen, zusammen mit Joep in unserem Herzen und Pietje (hoffentlich) in unseren Armen.

Nach dem Ultraschall am Freitag ist mein Bauch dann auch wirklich explodiert. Von 0 auf schwanger in einem Tag. Verrückt wie schnell das ging! Ich habe Dienstags ein Foto gemacht aber Freitags war mein Bauch identisch. Das nächste Foto das ich gemacht habe war Montag, aber Sonntag war mein Bauch schon genauso rund.

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